Claus Deimel über Bismarck-Denkmal: „Stehen lassen und umdefinieren“
Die Künstler:innengruppe „Projektion Bismarck“ macht das Hamburger Denkmal zur Projektionsfläche. Sie tut das wörtlich – mit einem Filmprogramm.
taz: Herr Deimel, das Bismarck-Denkmal im Elbpark wurde 1906 errichtet. Wieso ist es heute so umstritten?
Claus Deimel: Otto von Bismarck ist eine der zentralen Figuren der sogenannten Kongo-Konferenz, die von 1884 bis 1885 in Berlin stattfand. Dort wurde Afrika unter den damaligen Großmächten aufgeteilt. Bismarcks koloniales Werk wurde dann von seinen Nachfolgern als Reichskanzler, darunter Bernhard von Bülow aus Klein Flottbek bei Altona, fortgeführt. In dessen Zeit fallen auch die Massaker an den Herero und Nama. Deswegen bleibt Bismarck im Zuge der Aufarbeitung kolonialer Zusammenhänge eine ganz wichtige Figur, obwohl es bei ihm auch noch andere Aspekte gibt.
Sie bringen die Diskussion um die Person direkt an den Ort des Geschehens. War die Debatte bisher zu verschlossen?
Unsere Gruppe beobachtet die Diskussionen um das Denkmal seit drei Jahren, seit etwa eineinhalb Jahren machen wir die Projektionen. Wir haben den Eindruck, dass es eine relativ elitäre und kleine Diskussion ist – mit viel Für und Wider. Diese Punkte müssen aber hinausgetragen und offen demokratisch diskutiert werden.
Welche Rolle spielt das Denkmal für den Elbpark und die Stadt?
Filmprojektion auf das Bismarck-Denkmal: Sa, 30. 7., 22 Uhr, Hamburg, Alter Elbpark/Seewartenstraße
Das ist ja ein besonderer historischer Ort, einst stand dort eine Bastion. Der Park war früher auch Ausstellungsgelände. Es gibt alte Bilder, die zeigen, was man mit so einem Park machen könnte. Aber der ist heute völlig heruntergekommen, die Figur ist zugewachsen. Man hatte in den letzten Jahren offensichtlich auch kein Interesse, irgendwas zu verändern. Aber das Ganze gehört zusammen. Man kann nicht die Figur alleine betrachten, man muss auch die Location sehen. Die künstlerischen Möglichkeiten in so einem Park sind sehr groß. Unsere Gruppe kommt aus den Bereichen Film, Kunst, Fotografie. Und wir haben für uns entdeckt, dass die Figur im jetzigen Zustand hervorragend zur Projektion von Bildern geeignet ist – und dass man damit auch ein großes Publikum erreichen kann.
Welche Filme werden bei der Projektion gezeigt?
Ganz verschiedene Kurzfilme, die sich mit dem Thema beschäftigen. Wir haben zum Beispiel einen Film von der Eröffnung des Denkmals 1906. Damals war die Figur von einem großen Tuch verhüllt, das dann fallen gelassen wurde. Und wir haben den Film einfach mal rückwärts laufen lassen, damit das Denkmal wieder verhüllt wird, um auch das ganze Für und Wider darzustellen. Wir zeigen aber auch andere Aspekte aus ehemals kolonisierten Ländern, zum Beispiel Bilder von Menschen aus Afrika oder Lateinamerika, um auch das Monumentale der Figur aufzubrechen. Dazu stehen wir mit Künstler:innen aus diesen Regionen in Kontakt, die teilweise auch mit politischer Fantasie und Poesie arbeiten. Außerdem haben wir auch zu privaten Einsendungen aufgerufen.
Im Zuge der Black-Lives-Matter Proteste wurden weltweit kolonialistische Statuen gestürzt. Ist das der richtige Umgang mit problematischen Denkmälern?
Es gibt eindeutig Denkmäler, die man niederreißen muss. Wir würden zum Beispiel keine Hitler-Denkmäler akzeptieren und es gibt erwiesenermaßen Sklavenhändler, die man nicht mehr sehen will. Es gibt aber auch andere Figuren, die eine bestimmte Zeit umfassend reflektieren. Die kann man sehr wohl stehen lassen, muss sie aber umdefinieren. Aus meiner Sicht gehört Bismarck eher zu dieser Kategorie. Es besteht die Chance, das gesamte kolonialistische System deutlich zu machen, das ja bis heute andauert. Auch wenn es Begriffe wie „postkolonial“ gibt, leben wir heute eindeutig im Neokolonialismus.
Ethnologe, ist Teil der siebenköpfigen Künstler:-innengruppe „Projektion Bismarck“.
Im letzten Jahr gab es mehrere Workshops zum weiteren Umgang mit dem Denkmal. Wie geht es nun weiter?
Da müssen Sie die Kulturbehörde fragen. Es ist allen klar, dass man das Denkmal nicht so stehen lassen kann. Man muss etwas damit machen, es in Bewegung setzen und mit heutigen Aspekten neu inszenieren.
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