Claudius Prößerzu Berliner Längenrekorden: Sechs Jahre Ersatzverkehr
Berlin kann länger: Gut vier Jahre dauerte es, die Golden Gate Bridge in San Francisco zu bauen, drei brauchte es für die größte Brücke der Welt, den Viaduc de Millau in Südfrankreich. Der Abriss und Neubau der Brücke, auf der die Schönhauser Allee in Prenzlauer Berg die Ringbahn überquert, wird sechs Jahre dauern – wenn ausnahmsweise alles nach Plan läuft. Wie die Morgenpost am Mittwoch berichtete, gibt es in Verbindung damit einen weiteren Rekord: sechs Jahre Schienenersatzverkehr auf einer Teilstrecke der Tram M1.
Sechs Jahre sind im politischen Berlin eine ganz schön lange Zeit, in der Koalitionen entstehen und vergehen und vielleicht auch wiederauferstehen können. Wie dem auch sei, für die NutzerInnen der unscheinbaren, aber immerhin 135 Jahre alten und maroden Brücke an den Schönhauser Allee Arcaden wird es eine Durststrecke. Während jedoch die U2 hoch oben auf ihrem Viadukt weiterrollt und Rad- sowie Autofahrende immer noch über die Brückenhälfte schleichen können, die gerade nicht fehlt, ist für die auf festen Untergrund angewiesene Straßenbahn erst mal Schluss.
Eine Umleitung über die Pappelallee ist laut BVG keine gangbare Alternative, wie das Unternehmen im Verkehrsausschuss der Pankower BVV mitteilte. Deshalb muss eben sechs Jahre lang umgestiegen werden: wie die BVG der taz bestätigte, einmal auf Höhe des U- und S-Bahnhofs und dann noch einmal auf Höhe der Bornholmer Straße. Dazwischen fahren Busse. Auf der Ringbahn, wo auch Regionalzüge und ICEs unterwegs sind, wird es ebenfalls Sperrungen geben. Die sollen aber nur ganz kurz ausfallen.
Immerhin muss sich niemand schämen: An der Schönhauser dauert eben alles etwas länger. Etwa die Einrichtung geschützter Radspuren zwischen Danziger/Eberswalder und Gleimstraße, deren baldigen Baubeginn die grüne Ex-Mobilitätssenatorin Bettina Jarasch vor genau einem Jahr verkündete. Mittlerweile steht fest: Mit der Eröffnung in diesem Frühjahr wird es nichts, auf der Straße ist auch noch gar nichts passiert. „Mitte 2023“ soll es jetzt nach Auskunft der landeseigenen infraVelo GmbH losgehen – mit dem Bau.
„Wir zeigen hier an einer ganz zentralen Strecke für Pankow und Berlin, wie wir mit der Mobilitätswende vorankommen“, sagte Jarasch im April 2022, und solche nicht rechtzeitig eingelösten Versprechen sind wohl ein kleiner Teil der Antwort auf die Frage, warum der Höhenflug der Grünen im Februar ein Ende hatte.
Immerhin: Wenn wirklich einmal alles fertig ist, werden die RadlerInnen komfortabel unterwegs sein, und die Tramfahrenden werden sicher unter dem Viadukt ein- und aussteigen. Ja, es dauert, aber Vorfreude ist bekanntlich die schönste.
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