Claudius Prößer über die Tücken der Verkehrswende: Guter Poller, schlechter Poller
Friedrichshain-Kreuzberg gilt ja mittlerweile schon als das deutsche Eldorado für Verkehrsexperimente, jedenfalls wenn es darum geht, für weniger Autos und mehr sicheren Rad- und Fußverkehr zu sorgen. Das ist schon eine Weile so, hat sich aber unter der auch für Verkehrsfragen zuständigen grünen Bürgermeisterin Monika Herrmann und ihrem so innovativen wie unternehmungslustigen Straßen- und Grünflächenamtsleiter Felix Weisbrich noch einmal beschleunigt.
Seit Mittwoch ist nun in der Körtestraße unweit des Südsterns ein Berliner Novum zu besichtigen: ein elektrisch versenkbarer Poller auf der Straßenmitte, der endlich Ernst macht mit der hier längst angeordneten verkehrsberuhigten Fahrradstraße. Der vorige „Modalfilter“ mit ausschließlich festen Pollern hatte keinen rechten Erfolg, weil Letztere noch genügend Platz für Kfz-Noteinsätze ließen. Das betrachteten viele AutofahrerInnen als Einladung, sich trotz Verbots hindurchzuzwängen. Und kontrolliert wurde durch die Polizei eher sporadisch.
Bisweilen kann man aber auch beobachten, dass so eine Verkehrswende ihre Tücken hat und diese wie immer im Detail liegen. So hat vor wenigen Tagen eine Firma die Verkehrsschilder angebracht, die den Bergmannkiez für den Kfz-Durchgangsverkehr tabu machen sollen. Seltsamerweise kamen zu den Zeichen „Einfahrt verboten, Anlieger frei“ auch noch Richtungspfeile Weiß auf Blau an der Gneisenaustraße, die die Einfahrt in den Kiez de facto komplett verbieten – nicht nur für die berechtigten Kfz-HalterInnen, sondern sogar für RadfahrerInnen.
Vielleicht eine Art Guerillataktik von oben, die der Maßnahme ein bisschen mehr Nachdruck verleihen soll? Nein lautet die Antwort aus dem Rathaus des Bezirks: „Die aktuelle Beschilderung entspricht nicht den Vorgaben des Bezirksamts.“ Die beauftragte Firma habe Lieferengpässe bei den entsprechenden Zusatzzeichen als Grund angegeben. „Sie werden in den kommenden Tagen montiert.“
Ein teureres Problem könnte man sich dagegen mit der Anschaffung der angeschrägten schwarz-weißen Kunststoffelemente eingehandelt haben, mit denen der Bezirk gerade die ehemaligen Pop-up-Radspuren auf dem Kottbusser Damm eingefasst hat. Dass die flachen Dinger der mexikanischen Firma Multiseñal (laut Eigenwerbung „Líderes en señalización“, also führend bei der Herstellung von Baken, Pollern und Co) wenig abschreckend auf Auto- oder gar Lkw-FahrerInnen wirken, ist abzusehen. Aber offenbar sind sie auch empfindlicher als erwartet.
Ein radelnder Twitteraktivist hat sich für die länglichen schwarz-weißen Elemente den Spitznamen „Zebrabaguette“ ausgedacht. Dass sich dieser Begriff einbürgert, ist dabei deutlich unwahrscheinlicher, als dass eine Menge Arbeit auf das Straßenamt zukommt: Wie auf etlichen Bildern im Kurznachrichtenportal zu sehen ist, vertragen die mit nur zwei Schrauben verankerten Teile das gelegentliche Überfahren durch Pkws nicht gut. Was vielleicht daran liegt, dass sie laut Hersteller-Website eher für den Einsatz in Parkhäusern gedacht sind.
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