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Cinema for PeaceUnd jetzt bitte nachgießen

Sie kämpfen in Abendroben für den Frieden und verkaufen Teestunden, die niemand will. Ein Besuch bei der lustigsten Friedensbewegung der Welt.

Gutes Schuhwerk: Wichtig im Kampf für den Frieden. Hier zu sehen: Festliche Sneakers beim Cinema for Peace. Bild: dpa

BERLIN taz | Einfach zu krass. Jetzt also, vorne auf dem großen Bildschirm, das kleine Mädchen. Vielleicht ist sie vier Jahre alt oder fünf, in Syrien vor einer Kamera. Sie hat Blut im Gesicht, ihre Kleider sind zerrissen. Hinter ihr schlägt eine Bombe ein – Kugelhagel, Mörsergranaten –, um sie herum ist alles zerstört und wieder Schüsse, Schüsse, Schüsse.

Ihr Abgang: ungewiss.

Ach da ist er ja endlich. Über die rechte Schulter gießt jemand mehr von diesem herrlichen schweren Chilenen ins Glas, ein tiefdunkler, Traube total.

Sein Abgang: Zedernholz.

Guten Abend bei der reichsten Friedensbewegung Deutschlands. Cinema for Peace, das ist die Gala. Und heute abend geht es hier im Berliner Konzerthaus, um mit der Schauspielerin Nastassja Kinski zu reden, darum, einen echten Wandel herbeizuführen. Sie wissen schon: A real change.

Das Mittel des Wandels ist in diesem Fall das Geld und Geld an sich muss ja noch längst kein schlechtes Mittel sein. Allerdings: Es muss auch wirken. Auf dem edlen Parkett stehen also die Dinnertische und es sind ein paar sogenannte Stars gekommen. Die Schauspielerinnen Natalie Portman zum Beispiel, auch Katja Riemann und Til Schweiger oder die einstige Präsidentenkandidatin Gesine Schwan sind da.

Bob Geldof für 5.000 Euro

Auf ihren Tischen liegen Kataloge. Darin ist zu sehen, was heut für den, sagen wir mal, angeblich guten Zweck gekauft werden kann: Ein Treffen mit der russischen Punkband Pussy Riot kostet zum Beispiel 2.000 Euro. Ein Meeting mit Leonardo die Caprio 8.000 Euro. Beides ist schon verkauft. Die Teatime mit Bob Geldof (5.000 Euro) will niemand haben.

Cinema for Peace – in der Vergangenheit sorgte dieses Event immer wieder auch für Negativschlagzeilen. Der Chef der Berlinale distanzierte sich öffentlich von den Trittbrettfahrern, die im Schatten der Berliner Filmfestspiele ihre friedfertigen Dinnerorgien zelebrieren. Und gemeinhin erzählt man sich, dass der Wein zwar gut ist, die Erfolge dieser Friedensbewegung dagegen überschaubar bleiben.

Und so ist es eine gute Frage, ob man eine solche Veranstaltung überhaupt nutzen kann, um wirklich einen Unterschied zu machen. Pussy Riot zum Beispiel – die Polit-Band ist gekommen, hält Reden, macht Fotos. Aber am Ende des Abends ist sie vor allem frustriert. Als die Aktivistinnen ihren großen Auftritt haben, ist das Geschirrgeklapper im Saal lauter als ihre Rede. Sie müssen, sagen sie am Ende, nochmal überdenken, ob das hier wirklich Sinn macht.

Natalie Portman ist beleidigt

Es gibt noch andere Gäste, diesmal unangemeldet. Zwei halbnackte Aktivisten haben sich in ein Eisbärkostüm begeben. Sie wissen schon: dieser Greenpeace-Eisbär, der so täuschend echt aussieht. Sie schaffen es sogar, damit über den roten Teppich zu stolzieren, der hier aber blau ist. Ihre Botschaft („Rettet die Arktis“) wird auch fotografiert, das schon. Dann aber rufen die Fotografen, sie sollen diese Schilder mit den Slogans endlich wegtun. Nun kommen die hübschen Frauen, unter ihnen wieder die Kinski, und posieren mit dem Eisbären für noch mehr Fotos – von sich. Rettet die Gala.

Es ist eine Aktion des US-amerikanischen Aktivistenduos „Yes Men“. Sie haben den Eisbären mitgebracht und sie sind es auch, die später am Abend auf die Bühne stürmen. Sie rufen ein paar Parolen, sie wollen, dass diese ganzen reichen Menschen ihre Investitionen überdenken. Statt Geld in komische Starmeetings zu investieren sollen sie, sagen die Yes Men, kein Geld mehr in die Ausbeutung der Umwelt anlegen. Dann kommt ein Indianer, Gitz Crazyboy, und sagt, Ölkonzerne sollten aufhören, in Naturreservaten nach Öl zu bohren. Anschließend werden die Jungs von Sicherheitsleuten abtransportiert. Jetzt reicht es der Friedensbewegung, jetzt muss auch mal gut sein.

Natalie Portman ist schon beleidigt abgehauen und vor allem der Chef dieser ganzen Gala ist verstimmt. Wenn Natalie Portman beleidigt ist, dann ist, hier, jetzt wirklich der Frieden in Gefahr. Oh weia.

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