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Christian Schwarz-Schilling wird 90Bosnien als Lebensaufgabe

Christian Schwarz-Schilling, einst Hoher Repräsentant für Bosnien, wird am Donnerstag 90 Jahre alt. Er ist immer noch ein begehrter Gesprächspartner.

Christian Schwarz-Schilling beim CDU Parteitag im November 2019 Foto: Sven Simon/imago

Sarajevo taz | Wenn Christian Schwarz-Schilling nach Sarajevo kommt, wo er immer noch an einer Privatuniversität Politische Wissenschaften lehrt, ist der Terminkalender des ehemaligen Hohen Repräsentanten der internationalen Gemeinschaft in Bosnien und Herzegowina prall gefüllt.

Bosnische Politiker und Botschafter geben sich die Klinke zu seiner Residenz in die Hand. Er lädt auch Journalisten und in Bosnien engagierte Mitarbeiter internationaler Organisationen zu manchmal bis weit nach Mitternacht dauernden Abendessen ein.

Wer an diesen Diskussionen teilnimmt, tut dies immer mit Gewinn. Christian Schwarz-Schilling, von 1982 bis 1992 Minister unter Helmut Kohl, diskutiert engagiert. Er ist stets gut informiert, will jedoch weiterhin die kleinsten Details über die Lage im Lande wissen. Und immer wieder kreisen seine Gedanken um die Menschenrechte sowie die Mängel der Politik der EU und der internationalen Organisationen.

Er will weiterhin dazu beitragen, die Dinge in Bosnien und Herzegowina zu verändern. Er kennt die Diskussionen in Brüssel, hält Kontakt zu amerikanischen Politikern und Diplomaten. Seine Kontakte in Berlin reichen bis ins Kanzleramt. Man merkt ihm angesichts seines Engagements sein Alter nicht an. An diesem Donnerstag wird er 90 Jahre alt.

In Gefahr

Er kannte noch die Nazizeit. In Innsbruck geboren, wuchs er in eine für die Familie unsichere Zeit hinein. Sein Vater, der Komponist und Dirigent Reinhard Schwarz-Schilling, und seine Mutter, die aus dem polnisch-ukrainischen Grenzgebiet stammende Sängerin Dusza, waren in Gefahr, denn seine Mutter war Jüdin. „Das erfuhr ich erst im Alter von 73 Jahren.“ Als der Vater 1938 eine Stelle für Komposition an der Hochschule für Musik in Berlin bekam, war es nicht immer einfach, ihre Herkunft zu verbergen.

Am Schwilow-See aufgewachsen, wurde er in den letzten Kriegstagen sogar noch Flakhelfer, bis endlich die Russen und dann die Amerikaner kamen. Die Familie zog in den amerikanischen Sektor von Berlin, Schwarz-Schilling studierte in München Sinologie und schloss mit einer Doktorarbeit ab.

Während des Studiums traf er seine Frau Marie-Luise, eine Fabrikantentochter aus Büdingen in Hessen. In Hessen begann auch seine Politikerkarriere. Er gehörte zum liberalen Flügel in der CDU. Helmut Kohl machte ihn zum Postminister in seinem Kabinett.

Doch der Bosnienkrieg veränderte sein Leben. Angesichts der Verbrechen der ethnischen Säuberungen, angesichts der Informationen über die Konzentrationslager in Prijedor verlangte er eine klare Position der Bundesregierung gegenüber den Verbrechen der Serben. Er schied Ende 1992 unter Protest aus dem Kabinett aus.

Weltweite Kontakte

Fortan engagierte er sich im Menschenrechtsausschuss des Bundestags, begann weltweit Kontakte zu knüpfen, kritisierte das Waffenembargo gegen die Verteidiger Sarajevos sowie die Politik des damaligen Außenministers Klaus Kinkel. 1994 berief ihn die internationale Gemeinschaft zum Streitschlichter in Bosnien. 2006 bis 2007 wirkte er als Hoher Repräsentant in Sarajevo.

Jetzt, 25 Jahre nach dem Abkommen von Dayton, kritisiert er, dass sich nur wenig im Lande zum Guten gewendet habe. Immer wieder muss er zur Kenntnis nehmen, dass die internationalen Institutionen, die EU und Deutschland zu wenig unternehmen, um die Weichen für die Zukunft zu stellen.

Die Dayton-Verfassung führte zur Zersplitterung, zur Herrschaft von Politikern, die mehr an sich selbst denken als an die Gesellschaft. Es müsste endlich eine Strategie formuliert werden, die es dem Land ermögliche, der EU beizutreten. Ohne die USA, so sagt er, werde es nicht gehen. Und er ist erleichtert, dass nun Joe Biden, der sich 1993 für Bosnien engagierte, bald regieren wird.

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