Kommentar (Siehe auch Seite 22): Christen unter sich
■ Der Mythos vom reinen Volk lebt
Eines muß man Henning Scherf wirklich lassen. Der Bürgermeister ist ein Mann der Integration. Trotz beginnendem Wahlkampf drückt der SPD-Bürgermeister sie alle an die Brust: Die CDU, der er trotz der Ausfälle seines CDU-Kabinettskollegen Borttscheller den echten Willen zur Integration von Einwanderern bescheinigt. Die Muslime, von Borttscheller als potentielle Staatsfeinde mißtrauisch beobachtet, hat er für den 19. Januar wieder ins Bremische Allerheiligste, das Rathaus, eingeladen.
Von der Offenheit des wenig wahlkämpferischen Bürgermeisters können sich die beiden großen christlichen Kirchen eine Scheibe abschneiden. Deren Absicht, ebenfalls am 19. Januar in einem großen Gespräch die unterschiedlichen Positionen zum Thema „Fremdenangst und Menschenrechte“ zusammenzubringen, ist zwar löblich. Daß aber eine solche Veranstaltung ohne Vertreter der Migranten stattfindet, zeigt die Defizite im Umgang mit dem Fremden auch im vermeintlich „guten“ Teil der deutschen Gesellschaft. Die Kirchen tun so, als ließe sich erstmal unter „uns Deutschen“ ein Konsens finden, wie wir „den Ausländern“ gegenübertreten. Es ist erschütternd, wie intelligente Menschen die Realität von sieben Millionen Einwanderern in Deutschland ausblenden können und unterschwellig immer noch die Reinheit eines Nationalvolkes behaupten, die niemals mehr war als ein böser Mythos. Harry Körber
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