Cholesterinspiegel: Activ-Essen kann Gesunde krank machen
Sieht aus wie Margarine, funktioniert aber wie eine Arznei: cholesterinsenkendes Fett. Gesunde Kunden greifen trotzdem zu - und gefährden damit möglicherweise ihren Körper.
Beschwerden? "Eigentlich nicht", antwortete fast jeder zweite Käufer von cholesterinsenkenden Produkten bei der Befragung der Verbraucherzentralen und des Bundesinstituts für Risikobewertung in deutschen Supermärkten. Margarine, Joghurt, Milch, Käse oder Sonnenblumenkernbrot mit Cholesterinsenkern werden dennoch in den Einkaufskorb gelegt. Denn viele erhoffen sich einen Nutzen: Sie wollen vorsorgen, denken, diese Lebensmittel seien besonders gesund, wollen abnehmen oder ihren sonst eher ungesunden Lebensstil kompensieren.
Cholesterinsenkende Lebensmittel würden aber wie Arzneien funktionieren, sagte Edda Müller, Vorsitzende des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen, am Montag. Sie enthalten Pflanzensterine - natürliche Pflanzenzellen, die cholesterinspiegelsenkend wirken. 1 bis 2 Gramm pro Tag sind dafür erforderlich, mehr ist sinnlos: Der Effekt kann nicht gesteigert werden.
Was gut klingt, könnte laut Bundesinstitut für Risikobewertung aber einen bitteren Beigeschmack haben: Derzeit sei nicht klar, ob sich der Verzehr von Pflanzensterinen nicht doch negativ auf die Gesundheit auswirkt. Genannt wird zum Beispiel das Risiko von Arteriosklerose. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit empfiehlt daher, pro Tag nicht mehr als 3 Gramm von Pflanzensterinen zu sich zu nehmen.
In Deutschland sind derzeit sieben Produkte zugelassen, denen Pflanzensterine zugesetzt wurden. Gemäß den EU-Kennzeichnungsvorschriften sind auf den Verpackungen unter anderem die empfohlene Maximalverzehrmenge und der Hinweis auf Risikogruppen - Kinder, Schwangere und Stillende - vermerkt.
Doch der Hinweis "für Verbraucher, die ihren Cholesterinspiegel senken möchten" sei nicht genug, meint Müller. "Verbraucher sind nicht so sensibel, dass sie genau auf die Hinweise achten." Und nur 8 Prozent der Befragten hätten überhaupt gewusst, dass den Produkten Pflanzensterine zugesetzt würden, ergänzt Birgit Niemann vom Bundesinstitut für Risikobewertung. Jeder vierte Konsument sei durch die Werbung der Hersteller motiviert, zu cholesterinsenkender Margarine oder Milch oder cholesterinsenkendem Käse oder Brot zu greifen: Auf fast allen der sieben zugelassenen Produkte mit Pflanzensterinzusatz ist das Wort "activ" zu finden. Das hilft beim Verkauf, denn der Lebensmittelmarkt ist heiß umkämpft, und cholesterinsenkende Produkte sind teurer als herkömmliche.
Strengere Kennzeichnungspflichten, wie sie Verbraucherschützer fordern, kommen den Herstellerunternehmen da nicht recht. Die Studienautoren fordern dennoch, auf diese Produkte "für Menschen mit nachweislich erhöhtem Cholesterinspiegel" zu schreiben. Aus der Kennzeichnung solle außerdem hervorgehen, dass die Produkte "keinesfalls vorbeugend" verzehrt werden sollten. "Und wir fordern eine Trennung der Produkte im Regal - wie bei den Diabetikerlebensmitteln", sagte Müller.
Davon hält Unilever-Pressesprecherin Katja Praefke wenig: Die "meisten Menschen" hätten, ohne es zu wissen, ohnehin einen erhöhten Cholesterinspiegel - "wenn die im Margarineregal auf das Thema aufmerksam gemacht werden, ist das für uns von Vorteil". Es sei nicht erwiesen, dass Pflanzensterine eine schädliche Wirkung hätten. Und dass jemand die empfohlene Dosis überschreiten könnte, weil er neben cholesterinsenkender Margarine auch cholesterinsenkende Milch und Joghurtdrinks kauft, schätzt sie als "extrem unwahrscheinlich" ein: Schließlich seien die Produkte "signifikant teurer" als vergleichbare Lebensmittel. "Ich meine, die derzeitige Ausschilderung ist ausreichend."
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