■ SPD und der Besuch von Li Peng: Chinesischer Zirkus
Das Maß an Zynismus, das gegenüber den Menschenrechtsverletzungen in China an den Tag gelegt wird, ist kaum noch zu überbieten. Im Frühjahr dieses Jahres verabschiedeten CDU und SPD gemeinsam eine Parlaments-Resolution, mit der die frisch gekürte und in der Öffentlichkeit heftig kritisierte Städtepartnerschaft mit Peking leicht abgefedert wurde: Der Senat solle bei „jeder sich bietenden Gelegenheit“ die Frage der Menschenrechte zur Sprache bringen. Das wird Diepgen heute geflissentlich tun. Daß der SPD- Fraktionsvorsitzende Ditmar Staffelt und seine Senatoren dem Empfang des chinesischen Ministerpräsidenten im Charlottenburger Schloß möglicherweise fernbleiben, gehört zur klassischen Arbeitsteilung innerhalb der Großen Koalition. Zugespitzt lautet sie: Die CDU ist für das schmutzige Geschäft, die SPD für den moralischen Aufguß zuständig. Moralische Empörung, das wissen die Sozialdemokraten nur zu gut, dient höchstens zur Befriedigung der akademischen Wählerschaft. So gleicht die Reaktion der Partei in den vergangenen Tagen jenem Hund, der vorsichtig aus der Hütte lugt, bevor er sich nach draußen wagt. Nachdem am Montag selbst CDU-Bundestagsabgeordnete die Menschenrechte in China eingeklagt hatten, ließ man den Landesgeschäftsführer Rudolf Hartung mit schlappen Worten die Rolle Diepgens geißeln. Erst wenige Stunden vor der Ankunft des Gastes schien der Fraktionszentrale offenbar Zweifel aufzukommen, daß damit der Klientel nicht Genüge getan werden kann, und entfaltete hektische Aktivitäten. Herausgekommen ist die Drohung, heute abend den Hauptverantwortlichen des Massakers von 1989 zu schneiden. Es sei denn, das Protokoll läßt ein gesondertes Gespräch mit Li Peng zu. Ein Kompromiß, wie er sozialdemokratischer nicht sein könnte. Severin Weiland
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