piwik no script img

Chinesischer Anwalt Chen GuangchengDer blinde Ausreißer

90 Wächter konnten ihn nicht aufhalten: Dem blinden chinesischen Anwalt Chen Guangcheng gelang die Flucht, nachdem seine Familie misshandelt wurde.

In diesem Video sagt der blinde Guangcheng „I am now free“. Bild: dapd

Trotz der bis zu 90 Wächter, die den Hausarrest des blinden Anwalts Chen Guangcheng in seinem Dorf Dongshigu (Provinz Shandong) bewachen, ist ihm am letzten Wochenende die Flucht gelungen. Dies wurde am Freitag durch Freunde bekannt, die Chens Flucht unterstützten.

Wo er sich derzeit aufhält, ist unklar. Meist ist von Peking die Rede. Zu Gerüchten, er sei in die US-Botschaft geflohen, wollten die Diplomaten nicht Stellung nehmen. Die Aktivistin He Peirong aus Nanjing schrieb per Microblog, sie habe geholfen, Chen „an einen relativ sicheren Ort“ zu bringen. Später wurde sie selbst festgenommen, ihre Blogs wurden gelöscht.

Am Freitag wandte sich der 40-jährige Cheng per YouTube-Video an Premier Wen Jiabao und beklagte die Misshandlungen seiner Familie während des Hausarrests. Er sorge sich, dass seine Angehörigen jetzt für ihn büßen müssten. Laut der US-Organisation Human Rights in China wurde Chens Vater festgenommen. Und sein Neffe tauchte unter, nachdem er sich gewaltsam gegen eine Hausdurchsuchung durch lokale Schläger gewehrt hatte.

Chen war 2006 in einer fabrizierten Anklage wegen Sachbeschädigung und einer Verkehrsblockade zu vier Jahren und drei Monaten Haft verurteilt worden. Zuvor hatte er den Zorn der Lokalbehörden erregt, weil er Frauen gegen Zwangsabtreibungen und -sterilisationen beraten und die Einkindpolitik öffentlichkeitswirksam kritisiert hatte.

Der seit seiner Kindheit blinde Chen brachte sich selbst juristische Kenntnisse bei und wurde zu einem in China nicht unüblichen „Barfußanwalt“. 2006 zählte ihn das US-Magazin Time zu den einflussreichsten 100 Personen der Welt.

Nach Verbüßung seiner Haftstrafe wurde er 2010 ohne Verfahren unter Hausarrest gestellt. Aktivisten, Journalisten und Diplomaten, die ihn besuchen wollten, wurden am Dorfrand von Schlägern abgefangen. Letztes Jahr zeigten sich viele mit Chen solidarisch, als sie sich auf ihren Profilseiten sozialer Netzwerke Sonnenbrillen aufsetzten. Dass ihm als Blinden die Flucht gelang, deutet auf Hilfe aus seinem Dorf hin. Jetzt hat er die Einsamkeit des Arrests mit der eines Verstecks getauscht.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • M
    maoam

    Erst wieder, wenn der Westen dem Rest der Welt die Freiheit aufgezwängt hat.

     

    LIVE FREE OR DIE !

  • V
    viccy

    Spätestens ab jetzt fährt Gauck nicht mehr nach China.