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■ Daumenkino„Chinese Box“

Jeremy Irons gefällt sich gut in der Rolle des glücklosen Liebhabers. Auch in Wayne Wangs (“Smoke“, „Blue in the Face“) neuestem Film, „Chinese Box“, mimt Irons einen, der die falsche Frau begehrt. Wie in „M. Butterfly“ liefert der Ferne Osten die Kulisse, geht es darum, daß Okzident und Orient nicht zusammenkommen können. Zu unergründlich sind sie, die Menschen im fernen Asien, zu fremd erscheint, was sie antreibt, zuviel Geheimnis umweht gerade die Frauen. Deswegen arbeitet Wang mit einer hypernervösen Kamera, die viel zu nah an Figuren und Gegenstände herangeht, als daß Überblick und ruhiges Schauen möglich wären. Ein Effekt, der sich noch verstärkt, wenn der Protagonist die Kamera selbst in die Hand nimmt und an Straßen, Häusern und Menschenmengen vorbeihastet.

Angesiedelt ist „Chinese Box“ in Hongkong, kurz vor der Übergabe an China. Der englische Journalist John (Irons), seit 20 Jahren vor Ort, liebt Vivian (Gong Li), eine ehemalige Prostituierte. Auf sie projiziert er sein Bedürfnis nach einer Stunde der wahren Empfindung. Aber Vivian zieht es zu dem Geschäftsmann Chang. Der wiederum will sie auf Grund ihrer Vergangenheit zwar als Geliebte, nicht aber als Ehefrau. Zu dem Dreieck gesellen sich Jean (Maggie Cheung) als quirlige Informantin und Jim (Rubén Blades), ein immerzu an einer Gitarre zupfender Fotograf, dessen Funktion vor allem darin besteht, den Helden vom Monologisieren abzuhalten. Für dramatische Zuspitzung sorgt zum einen die allmählich näher rückende Übergabe, zum anderen die tödliche Krankheit des Protagonisten: Etwa so lange wird er noch leben, wie Hongkong britisch bleibt.

Obwohl Wang in der einstigen Kronkolonie aufwuchs, bleibt sein Blick in „Chinese Box“ der eines Fremden. Wie er Stadt und Figuren darstellt, bricht in keinem Augenblick aus bekannten Mustern aus. Da hilft es auch nichts, daß er manchmal, etwa mit körnigen Aufnahmen frisch geschlachteter Hühner, den visuellen Überschuß eines Wong Kar Wei zu imitieren sucht. Cristina Nord

„Chinese Box“. Regie: Wayne Wang. Mit Jeremy Irons, Gong Li, Maggie Cheung, Rubén Blades u.a., Hongkong 1997, 95 Min.

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