Chinas neuer Kampf gegen Piraten: Schießen oder zahlen?
Auch Peking diskutiert jetzt über Maßnahmen, um gegen Schiffsentführer vorzugehen. Verbesserte internationale Kooperation könnte ein Weg sein. Schießen oder zahlen, das ist die Frage.
Schießen oder zahlen? Seitdem somalische Piraten den Frachter "Dexinhai" mit 25 chinesischen Seeleuten in ihre Gewalt gebracht haben, ist in China eine Debatte über den richtigen Weg zur Befreiung des Schiffes entbrannt. Während die Politiker in Peking eine militärische Aktion zunächst "nicht ausschließen" wollten, ist jetzt die Rede von Verhandlungen mit den Gangstern – und einer besseren internationalen Kooperation im Kampf gegen die Piraterie.
Die Nachricht von dem Überfall war für viele ein Schock: Noch nie hatten sich Piraten soweit aufs offene Meer hinausgewagt. Die "Dexinhai" befand sich mit 76.000 Tonnen Kohle aus Südafrika auf Kurs nach Indien 700 Seemeilen östlich der Küste von Somalia. Die Besatzung fühlte sich offenbar zu sicher und konnte nicht rechtzeitig reagieren, als eine Gruppe von acht Piraten ihr Schiff am 19. Oktober enterte.
Zum ersten Mal geriet damit ein chinesischer Frachter in Gefangenschaft, seitdem Chinas Marine Anfang dieses Jahres Kriegsschiffe in das Piratengebiet geschickt hatte. Vergangenen Freitag liefen zwei neue Fregatten - die "FFG-525 Maanshan" und die "FFG-526 Wenzhou" – von ihrem Hafen an der chinesischen Ostküste aus, um die Vorgänger abzulösen. Ein Versorgungsboot ist bereits vor Ort.
Damit sind nun 700 chinesische Marinesoldaten, darunter Spezialeinheiten und Piloten für die beiden Helikopter, entsandt worden, wie chinesische Medien melden. Insgesamt passieren jährlich rund 20.000 Schiffe aus allen Ländern der Welt die gefährlichen Gewässer. Derzeit sind dort rund 40 Kriegsschiffe aus mehr als 12 Nationen unterwegs. Trotzdem nehmen die Attacken von Piraten ständig weiter zu.
Die Geiselnehmer haben den Frachter an die Küste gebracht, wo er nahe dem ehemaligen Fischerhafen Hobyo nördlich von Mogadischu dümpelt. Seine Besatzung muss darauf hoffen, dass Chinas Diplomaten und Geheimdienstler Mittel und Wege finden, über ihre Freilassung zu verhandeln, und dass ihre Reederei bereit ist, genug zu zahlen.
Die Piraten sind inzwischen technisch bestens ausgerüstet: Von den Geldern, die sie mit früheren Überfällen erpresst haben, haben sie modernste Schnellboote und Raketen gekauft, mit denen sie Hubschrauber abschießen können. Die Waffen stammen womöglich aus jenen Ländern, deren Schiffe sie nun überfallen.
Chinas Militärs haben ihre Kollegen aus anderen Staaten für den 6. November nach Peking eingeladen, um über eine bessere internationale Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der Piraterie zu sprechen. Dabei wollen die Chinesen vorschlagen, sich künftig abzusprechen, wer welche Gebiete auf See kontrolliert und wie die Konvois effektiver organisiert werden.
Am Wochenende treffen sich im ägyptischen Badeort Scharm al-Scheich Chinas Premierminister Wen Jiabao und afrikanische Regierungschefs zum China-Afrika-Kooperationsforum. Die Sicherheit der Handelsrouten dürfte dort ebenfalls Thema sein.
Das verstärkte Engagement Chinas im Kampf gegen die Piraten kommt zu einem Zeitpunkt, in dem Pekings KP ihre Marine rasch aufrüstet und an ihrem ersten Flugzeugträger baut. Der Einsatz vor Somalia ist daher auch ein Test für die neue Militärstrategie des Staats- und Parteichefs Hu Jintao, der als Chef der Militärkommission auch Oberkommandierender der Streitkräfte ist.
Chinas Kriegsschiffe sollen künftig nicht nur die eigenen Küsten und den Zugang zur Insel Taiwan schützen, sondern auch die Routen der chinesischen Handels- und Fischereiflotten in der ganzen Welt.
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