Chinas Umgang mit dem Coronavirus: Die Transparenz-Frage

Peking verspricht maximale Transparenz im Umgang mit dem Coronavirus. Wie ernst meinen es die Mächtigen?

Polizisten mit Mundschutz an einem Bahnhof

Polizist:innen und Reisende in Schanghai tragen Atemschutzmasken Foto: Bloomberg/getty images

„Jeder, der die Gesichtswahrung von Politikern über die Interessen des Volkes stellt, wird als Sünder in die ewige Geschichte der Partei und des Volkes eingehen.“ Diesen flammenden Aufruf zur Transparenz im Umgang mit dem neuen, teilweise tödlichen Coronavirus hat die mächtige Kommission für Politik und Recht von Chinas Kommunistischer Partei über ihren Social-Media-Kanal verbreitet. Dies folgt offenbar der Einsicht, dass bei der Krise um die Lungenkrankheit Sars 2002/03 die anfängliche Vertuschung durch die chinesischen Behörden eine unrühmliche Rolle gespielt hat: Die Zahl der Opfer hat dadurch zugenommen, und es gab 800 Tote, das Vertrauen der Bevölkerung war dahin.

Sars war damals im Hinterland von Hongkong in der Provinz Guangdong ausgebrochen. Weil die Behörden das Problem zunächst vertuschten, wurde das autonome Hongkong zu einem Hotspot der gefährlichen Infektionserkrankung. Mit dem Vertrauensverlust dort hat Chinas Regime noch heute zu kämpfen, wie auch die anhaltenden Proteste zeigen. Die zunächst ebenso vertuschten Skandale um verseuchtes Milchpulver 2008 und um ein Schnellzugunglück 2011 haben weiteres Misstrauen gesät. In Zeiten von Social Media kann daraus für jedes Regime schnell eine politische Krise werden.

Chinas mächtiger Staats- und Parteichef Xi Jinping, unter dessen Herrschaft es zu einer starken Zentralisierung der Macht kam, scheint sich der politischen Gefahr bewusst und hat sich zu Wochenbeginn mit dem Ruf nach „umfassenden Maßnahmen der Prävention und Kontrolle“ des Virus deutlich positioniert. Damit hat er die Bekämpfung des Coronavirus zu seiner eigenen Angelegenheit gemacht und mit seinem Image im In- und Ausland verknüpft.

Bisher bescheinigen Beobachter dem Regime, angemessen auf die Krise reagiert, frühzeitig angesehene Experten einbezogen und recht offen informiert zu haben. Für eine abschließende Bewertung ist es natürlich noch viel zu früh. Doch schon jetzt stellt sich die Frage, wie transparent ein Regime überhaupt sein kann, das sonst aus Gründen des politischen Machterhalts keine Transparenz kennt und viel mehr auf den Prinzipien von Kontrolle, Schönfärberei sowie Befehl und Gehorsam basiert.

Ein Hongkonger Kommunikationswissenschaftler hat festgestellt, dass sich Chinas Regime auch jetzt den gewohnten Mechanismen entsprechend verhält: Die Informationen, die Medien und das Narrativ werden kontrolliert, und dabei wird der Eindruck erweckt, die Regierung habe die Situation unter Kontrolle. Dass der eingangs zitierte Aufruf schon nach wenigen Stunden gelöscht wurde, zeigt, dass innerhalb des Regimes noch um das richtige Maß gerungen wird und die von manchen eingeforderte Transparenz weiterhin enge Grenzen hat.

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Asienredakteur seit 1997, studierte Politologie in Berlin und Communication for Development in Malmö. Organisiert taz-Reisen in die Zivilgesellschaft, Workshops mit JournalistInnen aus Südostasien und Han Sens ASIENTALK. Herausgeber der Editionen Le Monde diplomatique zu Südostasien (2023), China (2018, 2007), Afghanistan (2015) und Indien (2010). Schreibt manchmal auch über Segeln. www.fb.com/HanSensAsientalk @SHansenBerlin

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