Chinas Regierung greift durch: Reiche sollen weniger Kinder kriegen
Die Kommunistische Partei schließt 500 privilegierte Mitglieder aus, die gegen die Ein-Kind-Politik verstoßen haben.
PEKING taz China versucht, härter mit seinen Neureichen umzugehen, um den sich im Wirtschaftsboom ausbreitenden Sozialneid zu bremsen. Deshalb sollen die Reichen in Zukunft weniger Kinder bekommen. Als Signal dafür hat die Kommunistische Partei jetzt zum ersten Mal einen Massenausschluss von Mitgliedern verfügt, die sich nicht an die Ein-Kind-Politik des Landes gehalten und zwei oder mehr Kinder haben. Betroffen sind 500 zumeist wohlhabende Parteimitglieder in der zentralchinesischen Provinz Hubei.
"Immer mehr Parteimitglieder, Berühmtheiten und wohlhabende Leute haben in den letzten Jahren die Ein-Kind-Politik verletzt. Das hat die soziale Gleichheit gefährdet", begründete Yang Youwang, Leiter der Familienplanungsbehörde in Hubei, die Parteiausschlüsse. Bisher sahen die Regeln der KP nur vor, dass Parteimitglieder mit mehr Kindern nicht mehr befördert werden.
Von Parteiausschlüssen, die auch für einflussreiche Unternehmer und berühmte TV-Stars einen herben Prestigeverlust und den wahrscheinlichen sozialen Abstieg bedeuten, war keine Rede. Diese relative Straflosigkeit trug aber trug dazu bei, dass die Zeugung eines zweiten Kindes in China zuletzt immer häufiger den Charakter eines Kavaliersdelikt annahm - und zwar insbesondere in der schnell wachsenden Schicht der Neureichen mit BMW und Eigenheim.
Tatsächlich fand eine nationale Umfrage der Familienplanungsbehörde in Peking 2007 heraus, dass schon eine Mehrheit der als berühmt und reich geltenden Leute zwei Kinder haben. Zehn Prozent von ihnen sogar drei. Warum auch nicht? Die höchste Strafe, die etwa in der Provinz Hubei je für ein zweites illegales Kind verhängt wurde, beträgt umgerechnet 72.000 Euro. Dafür gibt es einen BMW der 7er Reihe, aber auch nicht mehr.
Entsprechend attraktiv erschien Leuten wie dem Medienzar Bruno Wu und seiner Frau, der TV-Starmoderatorin Yang Lan, die Anschaffung ihres zweites Kindes. Allerdings sorgten die Eltern Wu und Yang vor, um nicht mit den Gesetz in Konflikt zu kommen: Sie nahmen vor der Geburt des zweiten Kindes die US-Staatsangehörigkeit an.
Das aber ist es, was die Jagd auf die bourgeoisen Zwei-Kind-Sünder so schwer macht: Sie haben viele Möglichkeiten, die Ein-Kind-Politik abzuschütteln. Neben dem Wechsel der Staatsangehörigkeit nennt die chinesische Webseite Jinyang sechs weitere Optionen für "Übergeburten von berühmten Persönlichkeiten": die Fälschung einer Behinderungsbescheinigung, eine Geburt im Ausland oder in Hongkong, eine vorgetäuschte Scheidung, die Bezahlung einer Leihmutter und das schlichte Bezahlen der Strafgebühr.
Jedenfalls ist sich Chinas inoffizielle Weböffentlichkeit seit langem einig, dass die Reichen nichts mehr vom Kinderkriegen abhalten kann. Und wenn ein chinesischer Superstar wie der Fußballspieler Hao Haidong Ärger bekommt und für sein zweites Kind umgerechnet 5.000 Euro Strafe zahlen muss, dann nur, weil er eben ein dummer Fußballspieler ist, denkt man.
Gegen diese Denkweise will die Partei nun angehen, um die Glaubwürdigkeit ihrer Ein-Kind-Politik zu retten. Sie hat begriffen, dass ein Parteiausschluss die Reichen härter trifft als jede denkbare gesetzliche Maßnahme, die dann auch für einen armen Arbeiter gelten und sozial ausgewogen sein müsste.
Doch wird die KP es wagen, ihre teuerste Klientel zu verschrecken? Die Ausschlüsse in der Provinz Hubei sind vorerst nur ein Feldversuch weitab der Hauptstadt. Bisher aber hatten in China nur Bauern und Minderheiten das Privileg, mehr als ein Kind zu bekommen. So einfach ist es für die Exbauernpartei denn auch wieder nicht, den Bauern ihr letztes Privileg zu nehmen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Magdeburg nach dem Anschlag
Atempause und stilles Gedenken
Bankkarten für Geflüchtete
Bezahlkarte – rassistisch oder smart?
Nordkoreas Soldaten in Russland
Kim Jong Un liefert Kanonenfutter
Tarifeinigung bei Volkswagen
IG Metall erlebt ihr blaues „Weihnachtswunder“ bei VW