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Chinas Interessen im Iran-Israel-KriegDelikater Drahtseilakt für Peking

Die Volksrepublik bringt sich im Nahen Osten als Friedensvermittler ins Spiel, doch ist ihr Handlungsspielraum begrenzt. Das Hauptziel ist Stabilität.

Tanklager des chinesischen Staatskonzerns Sinopec in Hefei, Provinz Anhui. Sinopec ist Irans größter Ölkunde (Archivbild von 2012) Foto: Jianan Yu

Seoul taz | Während die chinesische Botschaft in Teheran bereits ihre Landsleute mit Fernbussen an die über tausend Kilometer entfernte Genze nach Turkmenistan evakuiert, meldete sich am Dienstag erstmals Chinas Machthaber Xi Jinping zu Wort. „Alle Parteien sollten sich für eine möglichst schnelle Deeskalation des Konflikts einsetzen und eine weitere Verschärfung verhindern“, sagte der 72-Jährige. Israel kritisierte er nicht direkt, sondern wählte nur eine vage Formulierung.

Zugleich kündigte er vollmundig an: „China ist bereit, eine konstruktive Rolle bei der Wiederherstellung von Frieden und Stabilität im Nahen Osten zu spielen“. Doch dabei dürfte es sich vor allem um ein Lippenbekenntnis handeln.

Oberflächlich betrachtet scheinen Pekings Interessen in Nahost klar verteilt: China deckt große Mengen seines Energiebedarfs mit iranischem Öl, während Israel als enger US-Verbündeter ein ideologisches Feindbild darstellt. Falsch ist diese Analyse zwar nicht, aber greift viel zu kurz: Chinas tatsächliche Rolle im Krieg zwischen Israel und dem Iran ist ambivalenter.

Fakt ist: Täglich exportiert der Iran 270 Millionen Liter Rohöl (1,7 Millionen Barrel). Davon gehen über 90 Prozent nach China. Ganz offensichtlich handelt es sich um eine asymmetrische, ja nahezu koloniale Handelsbeziehung: Aufgrund von US-Sanktionen gibt es nur wenige Staaten, die noch iranisches Öl beziehen möchten.

China profitiert doppelt vom billigen iranischen Öl

China nutzt seine Monopolstellung aus: Es kauft nicht nur mit deutlichem Rabatt ein, sondern zahlt seine Importe auch in Renminbi. Die chinesische Währung unterliegt strikten Kapitalkontrollen, was de facto bedeutet: Der Iran muss im Endeffekt seine Profite in chinesische Produkte investieren. Für die Volksrepublik ist dies ein doppelter Gewinn.

In der Propaganda nach außen gibt sich China hingegen als altruistisch. Pekings Diplomatie würde vor allem darauf abzielen, Entwicklung und Frieden zu fördern und gleichzeitig wirtschaftliche Chancen zu nutzen, argumentiert Hongda Fan von der Shanghai International Studies University: „Ein friedlicher und stabiler Naher Osten ist für China von größerem Nutzen“, kommentiert der führende Nahost-Experte des Landes in einer aktuellem Debattenbeitrag.

Fan verurteilt zwar Israels Angriffe auf den Iran. Doch vor allem kritisiert er die westliche Staaten, die Israel unterstützen: „Die schamlose und unmoralische Haltung der europäischen und amerikanischen Mächte gegenüber dem Krieg zwischen Israel und dem Iran zeigt, warum sie degenerieren. Sie sind kein Vorbild der Demokratie mehr für die Welt“, kommentiert der Experte auf X.

Die Botschaft Chinas soll vor allem im globalen Süden verfangen: Während die USA völkerrechtswidrige Kriege gutheißen, moralisch belehrend und imperialistisch auftreten, ist das pragmatische China auf wirtschaftliche Entwicklung und eine gerechte Weltordnung durchdacht.

Auch Peking misst mich zweierlei Maß

Doch eine solche Rhetorik birgt auch für Peking eine gewisse Fallhöhe. Denn während die Parteiführung die eigene Bevölkerung mit ihren kontrollierten Medien und dem Zensurapparat in die Irre führen kann, sollte außerhalb der eigenen Landesgrenzen die offensichtliche Scheinheiligkeit nicht untergehen: Dass nämlich China den Krieg Israels verdammt, jedoch gleichzeitig den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine bisher mit keiner Silbe kritisiert hat. Im Gegenteil: China hält Wladimir Putins Kriegsmaschinerie durch die Lieferung sogenannter „dual use“-Güter am Leben.

Auch beim Iran-Israel-Konflikt kann man den Chinesen vorwerfen, dass sie das islamische Regime mit ihren massiven Öl-Einkäufen nachhaltig stützen. Nicht wenige Kritiker behaupten, dass das Regime in Teheran ohne den Handel mit China bereits kollabiert wäre.

Doch sollte man dabei nicht übersehen, dass Peking tatsächlich auf beiden Seiten der Konfliktlinien strategische Interessen verfolgt. Denn auch mit der Türkei und insbesondere den Golfstaaten hat China zuletzt seine Geschäftsbeziehungen intensiviert. Die Staatsführung will sich dementsprechend weder uneingeschränkt auf eine Seite positionieren, noch möchte sie überhaupt einen Krieg in der Region. Im Gegenteil: Pekings vorrangiges Ziel für Nahost lautet Stabilität. Denn werden die Schiffsrouten, auf denen das Öl ins Reich der Mitte fließt, durch den Krieg blockiert, wäre nicht nur Chinas Energiesicherheit, sondern auch das Wirtschaftswachstum des Landes massiv bedroht.

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1 Kommentar

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  • China hat die Situation schon seit längerem ausgenutzt und sich auch Land in touristisch interessanten sowie Häfen etc. gesichert. Für den Machterhalt und ihre Korruption haben die Mullahs alles verhökert was ging. Interessant ist, wie China reagieren wird, wenn das Regime im Iran zerbröselt oder gestürzt wird. Die werden die Milliarden sicher nicht abschreiben wollen, damit hätte eine mögliche neue Regierung im Iran gleich eine fette Laus im Pelz.