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Chinakritiker unter BeobachtungHackerangriff auf Postfächer

Die Email-Konten von chinakritischen Yahoo-Usern sollen von Unbekannten gehackt worden sein. Tagelang konnten sie sich nicht einloggen. Yahoo will die Fälle nicht kommentieren.

Alle Betroffenen haben in der Vergangenheit immer wieder kritisch über China geschrieben. Bild: ap

BERLIN taz | Es war ein ganz besonderer digitaler Angriff: Hacker knackten in der vergangenen Woche die E-Mail-Accounts von mehreren Journalisten und Menschenrechtsaktivisten, die alle eines gemeinsam haben. Sie berichten kritisch über China. Das berichtete die New York Times in ihrer Mittwochs-Ausgabe.

Die Betroffenen, alle sind User des Internetkonzerns Yahoo, konnten sich mehrere Tage lang nicht mit ihren Zugangsdaten in ihr Postfach einloggen. Außerdem stellten die Hacker Sendeoptionen von E-Mails so ein, dass diese verdeckt an weitere Empfänger weitergeleitet wurden, heißt es in dem Times-Bericht.

Alle Betroffenen haben in der Vergangenheit immer wieder über China geschrieben - über Versuche, das Internet zu zensieren, oder über chinesische Sicherheitspolitik. Sie arbeiten zum Teil in China, etwa von Beijing aus, zum Teil aber auch in anderen Ländern. Die Attacke traf auch Journalisten, die in Taiwan arbeiten und über dieses Land schreiben.

"Ich wurde ganz sicher gehackt", sagte Dilxat Taxit, Sprecher des Weltkongresses der Uiguren, der New York Times. "Ich bin sauer auf die Chinesen, aber ich werfe Yahoo vor, dass das überhaupt möglich war." Der Weltkongress ist eine Organisation von Exil-Uiguren. Die Aktivisten, denen die chinesische Regierung separatistische Bestrebungen vorwirft, befürchtet, dass aus ihren Accounts Informationen heruntergeladen wurden.

Die Sprecherin von Yahoo, Dana Lengkeek, lehnte es ab, die Vorfälle zu kommentieren. Sie sagte lediglich allgemein: "Wir setzen uns für den Schutz unserer User und deren Privatsphäre ein und reagieren, wenn Lücken auftreten, angemessen." Auf n-tv online sagte Lengkeek außerdem, Yahoo verurteile alle Cyber-Attacken, gleich welchen Ursprungs sie seien oder welche Absicht sie verfolgen würden.

Zehn der China-Berichterstatter hatten in dem aktuellen Fall am 25. März in einer E-Mail von Yahoo mitgeteilt bekommen, dass Unstimmigkeiten in ihrem Account aufgetreten seien. Auf Rückfragen der Betroffenen habe Yahoo aber noch nicht reagiert, zitiert die New York Times eine freie Journalistin. Wer die Accounts gehackt hat, ist noch nicht klar. Die User können sich inzwischen wieder in ihre Postfächer einloggen.

Ob die Hackangriffe mit der Umleitung von Google-China ins politisch freiere Hongkong in Zusammenhang stehen, ist laut New York Times auch noch offen. Der Konzern hatte nach Zensurattacken in China seine Website vor einer Woche unter der Adresse google.com.hk in die Metropole verlegt.

Viele der weltweiten Hacker-Attacken kommen aus China. Laut einer aktuellen Studie von Symantec, einem auf Anti-Virus-Software spezialisierten Unternehmen, kommen 30 Prozent aller Hacker-Angriffe von Rechnern, die in China zu verorten sind.

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6 Kommentare

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  • M
    mxxxxxxxx

    Habe 6.5jahre in china gelebt und das gleiche erlebt. nach 2008olympia wurde es dann noch verstaerkt ich traue dem system noch mehr zu, denn alle state of the art high technology steht zur verfuegung .diktatur ist und bleibt diktatur auch wenn es unter anderem namen presentiert wird.

    traue nicht dem laecheln der aufgehenden sonne solange du nicht das wahre hinter der fassade kennst .

  • A
    Alex

    Irgendwie kommt mir diese ganze Geschichte etwas merkwürdig vor. Es ist zwar nachvollziehbar, dass die chinesischen Nachrichtendienste Interresse daran haben, E-Mails vn Kritikern zu lesen, doch ich traue ihnen nicht zu, so offensichtliche Spuren zu hinterlassen. Ich frage mich, ob es sich bei dieser Aktion nicht um eine Machtdemonstration handelte...

  • K
    Khamelion

    Ein echt toller Kommentar Thomas. Das kann ich nur bestätigen.

    Da fragt man sich unter welcher Free-Emailadresse man überhaupt noch sicher ist, wenn es für die Chinesen ein so einfaches Spiel ist sich einzuhacken.

  • F
    frederyk

    Wer seinen Emailverkehr nicht verschlüsselt (ist unpraktisch) und sich unbedingt über Internetcafés meint einloggen zu müssen (die speichern meistens alle eingetippten Zeichen), muss sich weder wundern noch verdient er Mitleid. Im Gegensatz zu früher ist heute Sicherheit möglich, aber eben wie immer und zu jeder Zeit lästig. Kleiner Tipp zum Einstieg: Ein Linux auf einem verschlüsseltem USB-Stick oder einer verschlüsselten SD-Karte, von dem/der man booten kann und ein Zugang über das häusliche VPN (z.B. OpenVPN) sind nur mit riesigem Aufwand zu knacken. Ausserdem sollte man eigene Passwörter niemals in fremde Rechner tippen. Ach ja, und selbst denken in Verbindung mit der Methode des scharfen Hinsehens können Wunder wirken.

    @debile.Macuserbasis

    Alles was sehr einfach ist muss unsicher sein, wobei nicht alles was kompliziert ist, auch sicher ist. Wie gesagt Sicherheit ist niemals komfortabel.

     

     

    Liebe Grüße

    frederyk

  • MN
    Mein Name

    Sehr interessanter Kommentar Thomas! Es ist schon erstaunlich was für ein Aufwand in China betrieben wird. Erstaunlich und beängstigend. Toll mal einen persönlichen Bericht zu lesen.

  • TB
    Thomas Bresinsky

    Ich finde erstaunlich, dass erst jetzt davon berichtet wird, dass Email-Konten von chinakritischen Yahoo- und Google-Usern gehackt und kontrolliert werden. Man kann mit hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass in China schon seit geraumer Zeit Email-Konten gehackt werden. Und nicht nur von Journalisten und Regimekritikern. Sicher werden auch Email-Konten und andere über das Internet zugängliche Dienste und Server von Geschäftspartnern, Ingenieuren und Wissenschaftlern gehackt. Wahrscheinlich wird auch der Emailverkehr von Personen, die über Know-How und sensible Informationen verfügen, zur Informationsbeschaffung durchforstet.

    Ich selbst habe zur Jahreswende 1999 / 2000 als Kameramann mehrere Monate lang in China im Auftrag einer chinesischen Produktion eine Primetime TV-Serie für CCTV gedreht. Meine Tätigkeit war weder journalistisch, noch chinakritisch. Im Gegenteil! Diese TV-Serie war eine der üblichen Serienschnulzen über ein deutsch-chinesisches Liebespaar, das 20 Folgen lang durch die böse chinesische Mafia und selbstverleugnenden chinesischen Edelmut am Liebesglück gehindert wurde, bis just zur Premiere des Ludwig II. Musicals unterhalb des Schlosses Neuschwanstein, der Endstation der "Romantic Road", sich das Liebespaar endlich in die Arme schließen durfte. Also ein quotenträchtiges und im hohen Maße staatstragendes Rührstück.

    Aber! Natürlich wurde mein Email-Konto bei Yahoo gehackt und ich konnte mich tagelang nicht mehr einloggen. Das war Dezember 1999! Glücklicherweise hatte ich noch einen Email-Account bei GMX, den ich für den produktionstechnischen und organisatorischen Kommunikationsaustausch nutzen konnte. Alex, der Regisseur, der ein Hongkong-Chinese war, grinste nur breit, als ich ihm erzählte, ich könne meine Emails nicht mehr abrufen. "See! Mainland China is taking care of you!", war sein lakonischer Kommentar.

    Es dauerte einige Tage, bis mein Yahoo-Email-Konto wieder zugänglich war.

    Aber ich staunte nicht schlecht, als es mir das erste Mal wieder gelang, mich einzuloggen. Alle neu eingegangen Emails waren bereits als gelesen markiert, einige alte Emails umgruppiert, andere aus dem Papierkorb wieder hervorgezaubert. Offensichtlich hatten die chinesischen Schlapphüte unsauber und hastig gearbeitet. Viele Emails waren nicht englisch, sondern eben auch deutsch. Wahrscheinlich musste irgendein armer chinesischer Germanistikstudent sich durch meine kreativen Ergüsse und persönlichen Liebesmails wühlen. Ich hatte mich damals kurz vor der Abreise nach China in Deutschland frisch verliebt!

    Kurz und gut. Als die Yahoo-Mail wieder zugänglich war, die hauptsächlich meiner geschäftlichen Kommunikation mit der chinesischen Produktion diente - übrigens irgendeine Unterabteilung des chinesischen Kulturministeriums, war mein GMX-Email-Konto plötzlich für fast zwei Wochen nicht mehr erreichbar. Hier dauerte es länger, bis man von meiner Harmlosigkeit überzeugt war. Denn bei GMX stapelten sich unsere ellenlangen und liebestollen Emails.

    Ich habe also bereits zum Jahreswechsel 1999 / 2000 die Erfahrung gemacht, dass meine Email-Konten in China gehackt und kontrolliert wurden.

    Wenn schon bei einem so harmlosen und romantischem Licht, wie mir, ein so hoher Aufwand betrieben wurde, kann ich mir gut vorstellen, was mit Email-Konten von Personen geschieht, die Informationen und interessantes Know-How besitzen.

    Im übrigen konnte ich damals die ganze Zeit von dem einen und einzigen Internet fähigen Computer im Büro der chinesischen Filmproduktion aus ohne Probleme die Internetseite der taz aufrufen und lesen. CNN dagegen war oft gesperrt und ein, zwei Mal war auch Spiegel-Online nicht zugänglich, wenn ich mich recht erinnere.

    Während also meine harmlosen Email-Konten durchstöbert wurden, konnte ich zeitgleich völlig ungestört die durchaus oft auch chinakritische Berichterstattung der taz geniessen. Das Massaker auf dem Platz des himmlischen Frieden jährte sich damals zum 10. Mal. (Oder irre ich mich?!)

    Manchmal ist es eben doch von Vorteil klein und in China unbekannt zu sein!

    Vielen Dank der taz und ihrer Berichterstattung, die ich seit Jahren mit Interesse verfolge!

    Immer eine Handbreit mehr Interesse und Frische unterm Kiel in der Informationsflut, wie man unter Seglern und Surfern sagt.

    Gruß Thomas