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China lädt Kritiker aus1:0 für die Zensoren

Partnerland China? Bei einer Diskussionsrunde über "China und die Welt" im Vorfeld der Frankfurter Buchmesse sind kritische Autoren auf Druck Pekings nicht erwünscht.

Ausgeladen: Der in den USA lebende exilchinesische Schriftsteller Bei Ling. Bild: dpa

PEKING taz | Bei Ling hatte seinen Essay schon geschrieben, die Koffer gepackt, das Flugticket gekauft. Da bekam er einen Anruf: "Kommen Sie lieber nicht nach Frankfurt." Chinas Literaturfunktionäre wollten ihn dort am Wochenende nicht sehen, erfuhr der 49-jährige Exilschriftsteller. Man bitte ihn dringend, nicht am Symposium "China und die Welt - Wahrnehmung und Wirklichkeit" teilzunehmen.

Einen Monat vor ihrem Beginn am 18. Oktober hat die Frankfurter Buchmesse damit den ersten handfesten Zensurskandal: KP-Funktionäre des Ehrengastes China wollen bestimmen, wer bei Veranstaltungen in Deutschland spricht. Um ein "größeres Debakel" zu verhindern, gab der Organisator des Symposiums, Peter Ripken, dem Druck aus China nach und lud zwei ursprünglich Eingeladene wieder aus: Außer Bei Ling soll auch die Pekinger Umweltaktivistin und Schriftstellerin Dai Qing zu Hause bleiben.

"Wenn die beiden teilnehmen, ziehen wir uns ganz zurück", hätten die Funktionäre erklärt, so Ripken. Die Drohung sei damit verknüpft worden, dass dann auch andere chinesische Teilnehmer nicht dabei sein würden.

Warum Bei Ling und Dai Qing in den Augen der Regierung unerwünscht sind, erfuhr Ripken nicht: "Eine Begründung geben sie nicht. Da heißt es nur: entweder - oder …" Deshalb habe er ausführlich am Telefon mit Bei und Dai gesprochen. Beide hätten Verständnis für die "verzwickte Lage" gezeigt, in die Peking die Organisatoren gebracht habe. Beim Symposium treten auch Funktionäre aus China als Veranstalter auf. Auf die Buchmesse würden die beiden aber "auf jeden Fall" eingeladen werden, bekräftigte Ripken. Denn: "Da bin ich Herr des Verfahrens."

Chinas KP-Führung reagiert in diesen Tagen sehr empfindlich auf jede Art von Kritik. Sie plant eine große Militärparade zum 60. Jahrestag der Gründung der Volksrepublik China am 1. Oktober. Alle Funktionäre müssen dafür sorgen, dass kein Schatten auf das Image einer erfolgreichen KP-Herrschaft fällt. Dazu gehören auch die Verantwortlichen des Presse- und Publikationsamts (Gapp), Chinas Zensurbehörde, die mit anderen Ämtern für Chinas Auftritt bei der Buchmesse zuständig ist.

Exilautor Bei Ling lebt seit 1988 in den USA. Im Sommer 2000 war er bei einem Besuch in Peking verhaftet worden, weil er "illegale Publikationen" verbreite, wie es hieß. Internationale Proteste verhalfen ihm zur Freiheit. Ein Gefängnis von innen hat auch die 68-jährige Dai Qing, eine Journalistin und Umweltaktivistin, bereits gesehen. Sie lebt in Peking, kann dort aber nicht veröffentlichen. Nach dem Tiananmen-Massaker 1989 musste sie für ein Jahr hinter Gitter.

Zum Symposium am Wochenende werden mindestens 50 Gäste erwartet. "Unser Ziel ist auch eine Diskussion mit dem offiziellen China," sagt Ripken. Dass dies nicht leicht werden würde, sei den deutschen Organisatoren bewusst gewesen. Erst nach langem Sträuben habe Peking die Teilnahme des deutschen Schriftstellerverbands PEN akzeptiert. Die KP hält die Organisation für "antichinesisch".

Dai Qing hat inzwischen eine Einladung vom PEN-Zentrum erhalten. Sie wollte am Donnerstag nach Frankfurt fliegen. Nun muss sich zeigen, wie die chinesischen Behörden reagieren, falls sie am Samstag auf dem Symposium auftaucht. "Es bleibt spannend", sagt auch Ripken.

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3 Kommentare

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  • MA
    M. Aydemir

    China wird sich noch mehr ärgern.

     

    Die Chinesische Regierung hat im Jahr 2005 einen Uigurischen dichter zu zehn Jahren Haft verurteilt weil er eine Geschichte namens „Wilde Taube“ geschrieben hat. Dieses Buch wird auf der Buchmesse über China ausgestellt. Der Dichter ist immer noch in Peking im Gefängnis und seine Geschichte wird jetzt auf 156 Sprachen übersetzt.

     

     

    http://www.libri.de/shop/action/productDetails/7477764/wilde_taube_10_jahre_gefaengnisstrafe_fuer_diese_geschichte_3837041425.html

  • J
    jgo

    Das nennt man dann "konstruktive Zusammenarbeit", wie Sie schon seit Jahren von Ländern praktiziert wird, die von China wirtschaftlich abhängig sind.

    Dadurch ist ja auch schon viel erreicht worden.

    Z.B. gibt es in China keine Todesstrafe mehr, es werden auch keine Organe von zu Tode verurteilten in die Welt verkauft, Internetzensur ist seit Jahren Geschichte und die Bürger dürfen frei ihre Volksvertreter wählen. Ich finde das toll. Und außerdem kann man den Chinesen hochwertige (teure) Technik verkaufen und erhält im Gegenzug hochqualitatives Spielzeug für unsere Kinder.

    Wenn das mal kein Erfolg ist, was denn?

  • P
    Passant

    Nun die Medien hier in Deutschland ist meistens "antichinesisch".

    Positve Entwicklung in China wurde kaum erwähnt, stattdessen zeigt man erstaunlich viel Aufmerksamkeit bei den Negativen, selbst wenn es überall auch in demokratischen Entwicklungsländern übrig ist, wird übermäßig auf China mit den Fingern gezeigt.