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China im Zollstreit mit USALockerungen für den ökonomischen Erzfeind

Inoffiziell hat Peking bereits einige US-Produkte von Zöllen ausgenommen. Vor der eigenen Bevölkerung will man das Einlenken jedoch verheimlichen.

China zeigt sich geheimniskrämerisch und flexibel Foto: imago

Seoul taz | Offiziell betonte die chinesische Parteiführung, im Zollstreit mit den USA „bis zum Ende kämpfen zu wollen“. Nun hat sie dem ökonomischen Erzfeind jedoch still und heimlich ein paar Lockerungen gewährt: So sind US-Produkte aus dem Gesundheitswesen offenbar von den 125-prozentigen Einfuhrzöllen ausgenommen worden, ebenso einige Waren aus den Sektoren Luftfahrt und Chemie. Am Freitag bestätigte dies die US-Handelskammer in Peking.

Als erstes jedoch berichtete Caijing über diesen spektakulären Paradigmenwechsel. Das renommierte chinesische Finanzmagazin, hat aufgrund seines bestens vernetzten Herausgebers trotz staatlich kontrollierten Medien eine gewisse Unabhängigkeit bewahrt.

Caijing schrieb über Unternehmer in der südlichen Provinz Guangdong, laut deren Angaben einige US-Computerchips von den Zöllen ausgenommen worden seien. Interessant ist jedoch vor allem, dass der Artikel nur kurze Zeit online blieb. Nach wenigen Stunden schritten die Zensoren ein. Und auch die staatlichen Behörden geben bislang keinen Kommentar zu der delikaten Angelegenheit ab.

Sprecher Guo Jiakun entgegnete bei der freitäglichen Pressekonferenz im Außenministerium nur ausweichend: „Ich bin mit der von Ihnen geschilderten Situation nicht vertraut. Ich schlage vor, dass Sie sich bei den chinesischen Aufsichtsbehörden erkundigen“. Ein Dementi sieht jedenfalls anders aus.

„Haben wir etwa kapituliert?“

Wieso aber betreibt China eine solche Geheimniskrämerei? Für die Märkte ist die Nachricht über ein vermeintliches Entgegenkommen beim Handelsstreit schließlich ein Grund zur Freude. Schließlich beweist es, dass die Fronten doch nicht so festgefahren sind wie gemeinhin angenommen. Doch die chinesische Öffentlichkeit ist ganz offensichtlich „not amused“.

„Haben wir etwa kapituliert?“, fragt ein verdutzter User in der Kommentarspalte des Caijing-Artikels, ehe dieser gelöscht wurde. Ein anderer meint: „Schaut so aus, als ob da jemand wirklich, wirklich Geschäfte mit den Amerikanern machen möchte“. Und ein anderer Leser kommentiert: „In der Geschichte hat es nie einen Mangel an Verrätern gegeben.“

In gewisser Hinsicht kommen die inoffiziellen Lockerungen tatsächlich einem Verrat gleich. Denn seit Wochen schwört die Parteiführung das eigene Volk darauf ein, dass man gegen die USA hart bleiben werde.

Natürlich stünde die Tür für Dialog jederzeit offen, wiederholt etwa Außenamtssprecher Guo Jiakun stets. Doch: „Dialog und Verhandlungen müssen auf Gleichheit, Respekt und gegenseitigem Nutzen beruhen“.

Die USA als „Bully“

Der demonstrative Patriotismus kommt bei den meisten Chinesen ziemlich gut an. Sie sehen die US-Regierung schließlich als „Bully“, die den Aufstieg der Volksrepublik eindämmen will. Und Donald Trump hat den Hardlinern innerhalb Chinas mit seiner Zollpolitik in allen Punkten recht gegeben. Kurzum: Große Teile der Bevölkerung befürworten mittlerweile das Duell gegen die USA, auch wenn das wirtschaftliche Kräftemessen zu Wohlstandsverlusten führen dürfte.

Doch die flexible Haltung Pekings ist keineswegs neu. „China hat bereits im letzten Handelskrieg solch liberale Zollbefreiungen genutzt, um das heimische Publikum einerseits nicht zu verärgern, doch gleichzeitig die negativen wirtschaftlichen Auswirkungen abzumildern“, kommentiert China-Experte Martin Chorzempa von der Washingtoner Denkfabrik „Peterson Institute“.

Bei den derzeitigen Zollerleichterungen könnte es sich allerdings auch um ein lediglich kurzfristiges Entgegenkommen handeln. Das Politbüro der KP rief am Freitag jedenfalls erneut dazu auf, im Handelsstreit ausreichend für den „schlimmsten Fall“ zu planen. Und bislang scheinen sich die beiden Seiten nicht einmal auf die grundlegenden Fakten einigen zu können.

Während Trump wiederholt vor Reportern angab, in täglichen Verhandlungen mit den Chinesen zu stehen, wird dies von der Zentralregierung in Peking verneint. Außenamtssprecher Guo: „Es hat keine Konsultationen oder Verhandlungen zwischen China und den Vereinigten Staaten über die Zollfrage gegeben. Von daher sollten die USA die Öffentlichkeit nicht verwirren“.

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1 Kommentar

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  • Wahrscheinlich hat man bei einigen Produkten feststellen müssen, dass man sie nicht ohne weiteres ersetzen kann, und sie deshalb von den Zöllen ausgenommen.