Chefredakteurin über Frauenzeitschrift: „Ich höre auf die jungen Leute“
„L’Officiel“ ist eines der renommiertesten Modemagazine Frankreichs. Nun ist die erste deutsche Ausgabe erschienen.
In Frankreich gibt es L’Officiel, das Modemagazin für Frauen, seit 1921. „L’Officiel de la couture et de la mode“ heißt es eigentlich. Im Laufe der Zeit wurde der Titel ergänzt durch Ableger wie L’Officiel Homme und weitere auf Design, Beauty, Reise und Kunst spezialisierte Ausgaben. L’Officiel ist in 40 Ländern vertreten, so etwa in Vietnam, wo im Juli das erste Heft auf den Markt kam.
taz: Frau Feldmann, warum braucht es noch eine Lifestylezeitschrift für Frauen. Gibt es davon nicht genug, in jeder Preis- und Qualitätslage?
Lisa Feldmann: Was heißt „noch eine“? L’Officiel spielt ja in einer bestimmten Liga von Zeitschriften, und da gibt es nicht viele Titel, da ist die Luft sehr dünn. Elle, Harper’s Bazaar, Vogue, das war‘s schon. Ich bin überzeugt, es gibt eine Zielgruppe von Frauen, die mit dem bestehenden Angebot nicht zufrieden ist. Wir werden uns unterscheiden. Wir werden sehr viel jünger sein als die etablierten Magazine. Ich will den Titeln nicht zu nahe treten, aber: Sie haben es sich bequem gemacht. Vor zehn Jahren haben sich die Zeitschriften auf die ältere Frau eingeschossen, die weiß, wo’s langgeht, die Geld hat, die sehr teure Pflegeprodukte und Kleider kauft, aber im Kopf jung geblieben ist. Man dachte: Alles, was jünger ist, bewegt sich eh nur noch online, diese Frauen erreicht man nicht mehr mit einer Zeitschrift.
Sie sehen das also anders?
Absolut. Ich glaube, es ist ein Versäumnis, dass sich kein Verlag darum gekümmert hat, für die jungen Frauen ein Magazin zu machen, das in der Topliga spielt. Deshalb stand meine Ausgangsüberlegung unter dem Motto „Listen to the young people“. Ich höre auf die jungen Leute, die die Welt mit anderen Augen sehen.
DIE FRAU: leitete bis März 2014 das Magazin Interview, davor u. a. die Cosmopolitan und zehn Jahre lang das Schweizer Frauenmagazins Annabelle
DAS MAGAZIN: eines der traditionsreichsten Modemagazine Frankreichs, existiert dort seit 1921. Eigentlich heißt das Heft L’Officiel de la couture et de la mode. Im Laufe der Zeit wurde der Titel ergänzt durch Ableger wie L’Officiel Homme und weitere auf Design, Beauty, Reise und Kunst spezialisierte Ausgaben. L´Officiel ist weltweit in 40 Ländern vertreten, so etwa in Vietnam, wo im Juli das erste Heft auf den Markt kam.
Wie gestaltet sich das konkret?
Das geht ganz grundlegend damit los, dass der Art Director 28 Jahre alt ist, die Modechefin 29, und die Bildredakteurin ist ebenfalls 29. Das Heft und sein Design kommen aus jungen Köpfen. Entsprechend sieht die Fotografie aus. Dasselbe gilt für die Mode. L’Officiel zeigt Mode so, wie junge Frauen sie sehen wollen. L’Officiel entdeckt neue Sichtweisen, neue Perspektiven. Oder anders gesagt: L’Officiel ist die nächste Generation von Frauenmagazin, es wendet sich an die Leserinnen, denen die anderen Magazine zu gestrig sind. Diese Diskrepanz ist auch immer Thema in unseren Redaktionskonferenzen. Ich frage: Wer sind eure Helden, was sind eure Referenzen? Ich fand interessant, dass jemand sagte: Wenn wir den Namen Steve McQueen hören, dann denken wir an den Regisseur von „Shame“ oder „12 Years a Slave“, und nicht an einen ollen Rennfahrer-Schauspieler in Lederjacke.
Wie bildet sich das im Heft ab?
Alex Olsen, der die Coverstory fotografiert hat, war bis vor zwei Jahren Profi-Skater. Dabei fing er zu fotografieren an und entwickelte eine Ästhetik, die sehr viel damit zu tun hat, wie er subjektiv auf die Welt schaut. Er hat jetzt Mode in Berlin fotografiert. Er war zum ersten Mal in seinem Leben hier, und er hat Berlin total anders gesehen. Sein Blick auf die Stadt ist erfrischend neu, weil er eben aus der Perspektive der Skater und Street Artists auf die Welt schaut.
Es gibt aber auch viel Lesestoff in L’Officiel. Welche Themen werden angesprochen?
Die Themen haben mit der Erlebnis- und Erfahrungswelt der jungen, urbanen Frau von heute zu tun. Zum Beispiel: Ein Essay behandelt die Frage: Wann ist im Leben einer Frau der richtige Zeitpunkt, Kinder zu bekommen? Meine Generation hat damit ja endlos lange gewartet, und eines Tages waren die Spielplätze voller Eltern, die aussahen wie Großeltern. Ich freue mich, dass wir die tolle Autorin Mercedes Lauenstein, 27 Jahre jung, für den Essay gewinnen konnten. Überhaupt, ich bin stolz auf unsere Autorinnen und Kolumnistinnen: Evelyn Roll (Süddeutsche Zeitung) porträtiert eine schillernde Society-Lady privat, Antje Stahl (Monopol, FAZ) hat die Titelgeschichte geschrieben, Nicole Hackert (Contemporary Fine Arts) ist unsere Kunstkolumnistin, und und und. Halt, nicht dass es so aussieht, als seien wir eine reine Frauenredaktion: Der Schriftsteller Joachim Bessing, unser Editor-at-large, ist Hahn im Korb.
Zu dieser Welt gehört leider der Terror, wie wir gerade wieder erfahren haben. Anders als Vogue oder Harper’s Bazaar, die aus Amerika stammen, ist das Mutterhaus von L’Officielin Frankreich, in Paris. Können Sie in Ihrem Heft noch auf die schrecklichen Ereignisse reagieren?
Nein, das Heft ist bereits gedruckt. Die schrecklichen Ereignisse von Paris halten uns in Atem, und wir arbeiten mit Hochdruck an unserer Website, www.lofficiel.de, die demnächst online gehen wird. In Zukunft können wir dann auch schneller reagieren. Das Heft erscheint ja vorerst zweimonatlich.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Deutsche Konjunkturflaute
Schwarze Nullkommanull
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“
Schäden durch Böller
Versicherer rechnen mit 1.000 Pkw-Bränden zum Jahreswechsel
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen