■ Das Portrait: Cheb Hasni
„Ich liebe Oran, ich liebe meine Eltern, und außerdem mache ich keine Politik“, sagte Cheb Hasni wohlmeinenden Freunden, die ihn nach Frankreich holen wollten. Obwohl er längst ein de- facto-Auftrittsverbot in Algerien hatte, pendelte der „Prinz des Rai“ bis zum Schluß seines kurzen Lebens zwischen seinem Land und dem Rest der Welt. Er gab Konzerte in Frankreich, in den USA, Kanada, Skandinavien und – sein letztes – in Rom. Nach Hause fuhr er, um neue Stücke zu produzieren und Freunde zu treffen. Am Dienstag machten seine Gegner – vermutlich militante Islamisten – ernst: Mit zwei Schüssen in den Kopf ermordeten sie den 26jährigen vor der Türe seines Elternhauses in Oran.
Seine Musik war die der Jugend Algeriens: Rai. Ein rasanter, schriller Rhythmus, dabei sanft wie heißer Sommerwind. Seine Texte sind wie Mosaike aus arabischen und französischen Fragmenten zusammengesetzt. Rai entstand als nationales Phänomen Algeriens Ende der 70er Jahre.
Cheb Hasni, mit bürgerlichem Namen Chekroune Hasni, interpretierte die leichteste Variante dieses Genres, den „Rai-love“. Nach Anfängen bei Hochzeiten und Dorffesten landete er 1986 einen ersten Hit, der sogleich die Sittenhüter auf den Plan rief: „Wir haben uns in einer dreckigen Hütte geliebt.“
Hasni blieb dem sentimentalen Fach treu. Er sang Schnulzen über Liebe und Leidenschaften – vor allem über solche mit Schwierigkeiten. Einen großen Erfolg hatte er im Sommer 1992 mit dem Stück „Visa“, das die Schwierigkeiten eines jungen Mannes erzählt, der seine Geliebte in Marseille sehen will und nicht die nötigen Papiere hat.
Ermorderter Rai-Star
Hasni hat mehr Kassetten und Platten – über 100 – produziert als jeder andere Rai- Sänger. Er ist quer durch alle politischen Lager beliebt, sogar Mitglieder der „Islamischen Heilsfront“ (FIS) zählen zu seinen – heimlichen – Fans. Er selbst erzählte von Jugendfreunden, die Islamisten wurden und ihm vorgeschlagen hätten, Muezzin zu werden.
Doch die Askese war Hasnis Sache nicht. Der kräftig gebaute junge Mann mit dem kleinen Schnäuzer lebte auf der Bühne, er liebte die Show und er riß die Massen mit. Wenn er – das Mikro in der Hand – auftrat, war alles an ihm Bewegung. Die Karos, Punkte und Streifen an seinen spektakulären Hemden eingeschlossen. Sein Publikum empfing ihn mit „Elvis, Elvis“-Rufen. Dorothea Hahn
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