Chatbot „AndersDenken“: Besonnen geworden
„AndersDenken“ liefert nicht nur Argumente für nervige Diskussionen. Er lädt auch zur Reflexion ein.
Bald dürfen wir uns wieder Sprüche darüber anhören, wer alles in welchem Land leben darf und warum E-Autos und das Ende der Atomenergie eh „Schnapsideen“ waren. Wen derlei Äußerungen nicht am Heiligen Abend ereilen, der ist noch lange nicht sicher: Unvermittelt huschen sie im Zug aus dem Mund des Sitznachbarn heraus und klatschen auf unschuldige Feiertagsreisende.
Da kann man dagegenhalten. Nicht um das Gegenüber zu überzeugen, sondern vor allem für sich selbst und die Mitreisenden, die sich nach Vernunft sehnen. Aber wie gestaltet man so eine Gegenrede? Dafür liefert der Chatbot „AndersDenken“ Argumente und macht sensibel für das eigene Diskussionsverhalten. Denn egal welche Meinung man im Chat äußert, er schießt dagegen! Wie manche Menschen in Realität, nur ohne emotionalen Druck.
Den Einstieg macht einem der Chatbot leicht, gibt mehrere Thesen zur Auswahl. Einfach mal „Deutschland geht den Bach runter“ klicken und der Bot kontert. Er nummeriert seine Argumente durch, Nummer drei wird Sie überraschen. Was für ein Service! Anschließend kann man selbst in den Chat schreiben und eine Unterhaltung inszenieren.
Die Antworten des Bots sind durchwachsen, teilweise Scheinargumente. Er ist halt doch nur eine KI. Der Mehrwert liegt jedoch ohnehin nicht darin, dass wir die Aussagen auswendig lernen und dann in Wagen 32 wieder ausspucken.
Der Mehrwert liegt im Reflektieren: Wieso argumentiert „AndersDenken“ mit vermeintlichen Rationalitäten wie der „historischen Resilienz“ von Deutschland? Und wieso macht mich diese Betonung von Deutschland so wütend? Vielleicht weil ich selbst oft genug argumentiere wie ein wütender Teenie? Weil ich anders als der Bot Gefühle habe und manchmal ein ziemliches Loch in der Impulskontrolle? Das dürfen Menschen auch haben und zeigen. Aber manchmal tut es gut, sich dessen bewusst zu werden und die nächste Diskussion leicht gedrosselt zu gewinnen.
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