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Charakterstarkes Gehex'

...rettet das herzige Thronfolger-Söhnlein: Die Roxy Comedians inszenieren Terry Pratchetts shakespeare-ungleichen „Macbest“  ■ Von Änne Schmitz

Hexen sind charakterstark, das weiß ja jeder. Bemühen sich um das Edle und Gute, besonders um Edelgaben, die sich aus geheimen Kräuterelixieren oder aus mitternächtlichen Mondlicht-Mixturen gewinnen lassen. Manchmal sind sie auch düsteren, braunen oder gar schwarzen Gemütes, wenn sie etwa in Shakespeares Macbeth wie die Eulen heulend durch die Wälder wehen – auf der Suche nach den ewigwährenden Geheimnissen des Lebens und des Universums. Das alles heißt aber noch lange nicht, dass all jene, die Anleihen bei dem englischen Großmeister machen, es ihm gleichtäten in der Zeichnung hexischer Charaktere. Manche können auch anders: der 1948 geborene Terry Pratchett zum Beispiel, der die Fantasy-Szene englandauf, deutschlandab in verzückte Ohnmachten versetzt. Macbest hat er deshalb unbescheiden sein Stück genannt, für die jetzt in Hamburg zu erlebende Inszenierung von Stephen Briggs adaptiert und eher mit schwarzem Humor als mit schwarzen Seelen versehen.

In dem Stück, das die 1998 gegründeten Roxy Comedians inszeniert haben, sind die Hexen integer genug, um der Schreckensherrschaft des debilen Königs Felmet ein Ende setzen zu wollen. Der hat nämlich den König Verence im Königreich Lancre ermordet, dessen Söhnchen aber vergessen, das ein halbtoter Soldat den bereits erwähnten (drei) Hexen bringt. Mitten in deren Arbeitskreis platzt er hinein, und dass sich Granny, Nanny und Magrat des herzigen Kindleins innigst annehmen, versteht sich fast von selbst.

Eine Pflegefamilie ist schnell gefunden, in einem anderen Königreich natürlich, und dass das Adoptiv-Paar einer Schauspieltruppe angehört, ist nur eine der vielen Zufälligkeiten des Pratchett-Stücks. Der König, zunehmend manisch werdend, macht sich nämlich Sorgen um seinen Ruf und hat auch schnell die Schuldigen gefunden: die Hexen nämlich, die bürgerinitiativengleich Stimmung gemacht haben gegen den Herrscher. Ganz klar, dass er daraufhin seinen Hofnarren – eine Art PR-Berater – beauftragt, eine umfassende Kampagne zu des Königs Ehrenrettung zu starten.

Kurz und gut: Eine Riesenkampagne nach moderner Chemieindustrie-Art wird losgetreten, eine Positiv-Stimmungsmache im großen Stil mit Kinderwettbewerb, Flugblättern, Bürgerinitiativ-Auflösung und allem Drum und Dran; Bestandteil ist auch ein Theaterstück, in dem der böse, von Hexen getriebene König scheitert und der gute Herrscher siegt. Soweit die Pläne des waschzwang-geplagten Königs Felmet – und dass dann alles anders kommt als geplant, ist ebenso vorhersehbar wie die Tatsache, dass die Hexen den Dingen eine überraschende Wendung geben. Aber das ist noch nicht das Interessanteste an der Inszenierung des Ensembles um die Schauspielerin Stephanie Peters und die Musikerin Tatjana Großkopf, die die Roxy Comedians vor inzwischen gut zwei Jahren gegründet haben.

Interessanter ist die Tatsache, dass das Stück in der „Scheibenwelt“, einem parallelen Universum, in dem zwar nicht, wie vermutlich jenseits der berühmten Schwarzen Löcher, alles andersherum läuft, einschließlich der Zeit, das aber – mal in strenger logischer Umkehrung, machmal in sachte ironischer Anspielung – (Seelen-) Zustände unseres Alltags spiegelt. Denn sind nicht die heute allerorts wandelnden, windschnittig-kunstgerecht frisierten PR-Berater eigentlich wiedergeborene Hofnarren, bloß in anderer Montur? Und haben viele von ihnen nicht sogar – im Vergleich zu den Vogelfreien an ehemals königlichen Höfen – beträchtlich an Selbsterkenntnis eingebüßt, wenn sie sich vor jeglichen Karren spannen lassen?

Als grundlegende, weltverändernde Frage auch diesess Stückes muss deshalb wohl die nach der Weiterentwicklung betrachtet werden – insbesondere der von Königen, Managern und anderen Machtgestalten, die vermutlich alle heimlich unter Waschzwang leiden und sich gar nicht vorstellen könne, dass die Welt sich auch drehte, ohne dass sie schöben...

Sonnabend, Sonntag, 20 Uhr, Hörsaal PI, Von-Melle-Park 8

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