Chaos beim Deutschen Schwimmverband: Land unter beim DSV
Während der Kurzbahn-WM streiten sich die Schwimmer mit dem Weltverband um Prämien. In Deutschland streitet man sich um ein paar Cent.
Kaum war Marco Koch am Austragungsort der Kurzbahn-WM gelandet, musste er auch schon an den letzten Event in dieser Reihe zurückdenken. Im Dezember 2016 fand der globale Wettstreit auf der 25-Meter-Bahn in Kanada statt, und nach den ersten unrunden Nächten im chinesischen Hangzhou klagte Brustschwimmer Koch nun: „Ich fühle mich hier einfach die ganze Zeit über so erledigt.“
Eine Bronzemedaille auf seiner Paradestrecke über 200 Meter bekam der 28-Jährige in China trotzdem ab, ein Freund von Langstreckenflügen der Sonne entgegen wird er aber wohl nicht mehr werden. „Die Zeitumstellung vor zwei Jahren, als es in die andere Richtung ging, ist mir deutlich leichter gefallen“, betonte der gebürtige Darmstädter. „Aber da ist eben jeder anders.“
Beim Medaillengewinn über die acht Bahnen Brust verlor der DSV-Schwimmer zudem seinen Weltrekord an den Russen Kirill Prigoda – doch das nächste Ziel steht bereits: Koch will auf der Kurzbahn-Variante der 200 Meter als Erster unter zwei Minuten bleiben und sagt: „Nächste Woche beim Schwimm-Cup in Lausanne hab ich noch mal die Chance. Vielleicht geht’s in deutscher Zeit ja ein bisschen besser.“
Definitiv gar nicht gut ging es ihm und den deutschen Schwimmern am vergangenen Wochenende. Beim außerordentlichen Verbandstag in Bonn stand eine Beitragserhöhung von jährlich 60 Cent auf 1,40 Euro pro Mitglied zur Diskussion. Die Landesverbände Baden und Württemberg stellten sich quer, das Thema wurde verschoben – woraufhin DSV-Chefin Gabi Dörries und die für die Finanzen zuständige Vizepräsidentin Andrea Thielenhaus zurücktraten.
Einen neuer Tiefpunkt
Und der nationale Schwimmsport, nach zuletzt zwei olympischen Nullnummern ohnehin dauerhaft in unruhigem Gewässer, hatte einen neuen Tiefpunkt erreicht. Rund 600.000 Mitglieder zählt der DSV – ein Riesentanker, der auf den aufgewühlten Weltmeeren in Seenot geraten ist.
Auf internationaler Ebene tobt gerade ein Streit zwischen dem Weltverband (Fina) und der International Swimming League (ISL). Die ISL plant für 2019 eine neue, für die Spitzenkräfte der Branche ausgesprochen lukrative Profi-Serie. Ein Schwimm-Meeting in Turin am kommenden Donnerstag und Freitag, als Auftaktveranstaltung zum angedachten Format vorgesehen, musste abgesagt werden – weil die Fina Einspruch erhob. Offizielle Begründung: Nicht alle formalen Erfordernisse seien erfüllt.
Die Ungarin Katinka Hosszu, Dreifach-Olympiasiegerin von Rio und an gesteigerten Verdienstmöglichkeiten mit ihrem Sport generell sehr interessiert, reichte in den USA zuletzt gemeinsam mit den amerikanischen Topschwimmern Tom Shields und Michael Andrew eine Sammelklage gegen die Fina ein. Die richtet sich gegen das internationale Wettbewerbsmonopol des Weltverbands – der seinerseits am Donnerstag dann mit der Nachricht über ein neues Format überraschte.
Diese „Champions Swim Series“ sollen zwischen März und Mai 2019 an drei Stationen debütieren, nach Vorstellung und auf Einladung der Fina hin sollen dabei auf ausgewählten Strecken jeweils die amtierenden Olympiasieger, Weltmeister, Weltrekordhalter und Weltranglistenersten gegeneinander antreten. Die Teilnahme deutscher Schwimmer, die parallel zur Kurzbahn-WM am Sonntag in Berlin ihre nationalen Titelkämpfe beendeten, wird also auf jeden Fall überschaubar sein. Für die geplante Reihe ruft die Fina Preisgelder von 3,9 Millionen US-Dollar, umgerechnet 3,44 Millionen Euro, auf, fast doppelt so viel wie bei der Kurzbahn-WM in Hangzhou.
„Grundstein für das Ende des Leistungssports“
Parallel dazu senken deutsche Schwimmfunktionäre bei einem um fünf Cent pro Monat erhöhten Beitrag den Daumen – auch weil sie fürchten, auf den Kosten sitzen zu bleiben, sollten sich die Mitglieder querstellen. Mit ihrer Entscheidung hätten die Wahlberechtigten „den Grundstein für das Ende des Leistungssports im DSV gelegt“, kommentierte die frühere Athletensprecherin Dorothea Brandt.
„Es gab in den letzten Wochen und Monaten sehr, sehr viele Veränderungen im deutschen Schwimmsport“, sagte Henning Lambertz in Hangzhou – und meinte damit auch die jüngsten Vereinswechsel von Top-Athleten wie Marco Koch oder Sarah Köhler. Den Rücktritt von DSV-Präsidentin Gabi Dörries findet der Chefbundestrainer dagegen „wahnsinnig schade“. Der neue Kapitän für den lecken Riesentanker wird im nächsten Mai gewählt.
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