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Chaos Computer Club warntFieser Geselle Bundestrojaner

Die von den Ermittlungsbehörden genutzte Schnüffelsoftware verursacht Sicherheitslücken bei den betroffenen Computern. Und sie kann mehr als das Bundesverfassungsgericht erlaubt.

Ein Tastendruck in der Ermittlungsbehörde - und Dein PC verliert sein Immunsystem. Bild: imago/blickwinkel

BERLIN dpa | Dem Chaos Computer Club (CCC) ist nach eigenen Angaben eine "staatliche Spionagesoftware" zugespielt worden, die von Ermittlern in Deutschland zur Überwachung von Telekommunikationsverbindungen eingesetzt wird. "Die untersuchten Trojaner können nicht nur höchst intime Daten ausleiten, sondern bieten auch eine Fernsteuerungsfunktion zum Nachladen und Ausführen beliebiger weiterer Schadsoftware", teilte der Verein am Samstagabend in Berlin mit.

Der CCC warf den Sicherheitsbehörden vor, aufgrund von groben Design- und Implementierungsfehlern in der Software entstünden "eklatante Sicherheitslücken in den infiltrierten Rechnern, die auch Dritte ausnutzen können". Die Telekommunikationsüberwachung an der Quelle, kurz als Quellen-TKÜ bezeichnet, soll eine Möglichkeit bieten, die Kommunikation über das Internet abzuhören, bevor sie für den Weg durchs Netz verschlüsselt wird.

Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums bestätigte auf Anfrage, dass Software-Lösungen für eine Quellen-TKÜ verfügbar seien, sowohl für die Bundesbehörden als auch auf Landesebene. "Für den Einsatz dieser Software gibt es gesetzliche Grundlagen, die beim Einsatz beachtet werden müssen", sagte der Sprecher. Für Ermittlungen auf Bundesebene sei hier etwa das BKA-Gesetz relevant. Außerdem gibt es in einigen Bundesländern Regelungen zum Einsatz der Quellen-TKÜ.

Die Bestrebungen für eine Online-Durchsuchung bei Verdächtigen reichen ins Jahr 2005 zurück, in die Amtszeit des damaligen Bundesinnenministers Otto Schily (SPD). Danach setzte unter dem Schlagwort "Bundestrojaner" eine heftige Debatte über die Zulässigkeit solcher Eingriffe in die Privatsphäre des persönlichen Computers ein.

Das Bundesverfassungsgericht setzte im Februar 2008 hohe rechtliche Hürden für Online-Durchsuchungen. Das heimliche Ausspähen eines Computer-Anwenders zur Gefahrenabwehr ist demnach nur dann zulässig, wenn es eine klare gesetzliche Regelung dafür gibt. Außerdem muss die Aktion der "Abwehr einer konkreten Gefahr für ein überragend wichtiges Rechtsgut" dienen. Weiterhin muss die Aktion durch einen Richter angeordnet werden.

Wie das Password 1234

Der Chaos Compuzter Club erklärte, die nun aufgetauchte Software ermögliche einen viel weitergehenden Angriff. In einer Analyse des Programmcodes ("Binärcodes") seien Funktionen entdeckt worden, "die über das Abhören von Kommunikation weit hinausgehen und die expliziten Vorgaben des Verfassungsgerichtes verletzen".

So könne der "Trojaner" über das Netz weitere Programme nachladen und ferngesteuert ausführen. "Eine Erweiterbarkeit auf die volle Funktionalität des Bundestrojaners - also das Durchsuchen, Schreiben, Lesen sowie Manipulieren von Dateien - ist von Anfang an vorgesehen." Sogar ein digitaler großer Lausch- und Spähangriff sei möglich, indem ferngesteuert auf das Mikrofon, die Kamera und die Tastatur des Computers zugegriffen werde.

Im Rahmen des Tests habe der CCC eine Gegenstelle für den Trojaner geschrieben, mit deren Hilfe Inhalte des Webbrowsers per Bildschirmfoto ausspioniert werden konnten - inklusive privater Notizen, E-Mails oder Texten in webbasierten Cloud-Diensten. "Wir waren überrascht und vor allem entsetzt, dass diese Schnüffelsoftware nicht einmal den elementarsten Sicherheitsanforderungen genügt", sagte ein CCC-Sprecher.

Der Trojaner nehme Befehle ohne jegliche Absicherung oder Authentifizierung entgegen. Selbst einfache Absicherungen, wie beim Online-Banking oder bei Flirtportals üblich, gebe es nicht. Es sei für einen beliebigen Angreifer ohne weiteres möglich, die Kontrolle über einen von deutschen Behörden infiltrierten Computer zu übernehmen. "Das Sicherheitsniveau dieses Trojaners ist nicht besser, als würde er auf allen infizierten Rechnern die Passwörter auf "1234" setzen."

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15 Kommentare

 / 
  • P
    Panhold

    @Pia

     

    wir das selbe Passwort.

  • F
    Frage

    wenn man den Trojaner auf seinem Rechner findet, sollte man dann zum Anwalt gehen und klagen?

  • GS
    Gesellen sind noch keine Meister

    @Hans: Die NSA will aber nicht, das Syrien und alle anderen ihre Backdoors nutzen.

    Und die Zuständigkeiten der Dienste sind auch teilweise begrenzt und Eingeschränkt, wenn es um Amerikaner geht. Da z.b. Skype jetzt Microsoft gehört und Paypal im Namen der Amerikaner Kubanischen Rum per Online-Handel aus Europa verbieten will, siehst Du interessante Potentiale.

    Die Amis und ihre Firmen sind teilweise recht pingelig mit ihren Rechten. Dann kann zwar immer noch NSA auf den syrischen Dissidenten-Laptop zugreifen aber alle anderen ("Ost-Mafia") eher kaum noch und die Lücken würden (bei Bekanntwerdung) schnell gestopft.

    Man könnte also dem syrischen, iranischen, talibanischem Geheimdienst das Wasser abdrehen und nicht jeder arbeitet mit jedem anderen zusammen.

    Schon mal besser als gar nix. Vielleicht so grade das bestmöglichste.

    Die FSF und Piraten haben leider keine anonymen offenen Projekte zur Weltverbesserung oder Schwulen-Förderung oder Emanzipations-Entfaltung oder Diktatoren-Dokumentierung ohne Schikane.

    Also sieht man, was mit Software ginge, aber keiner machen kann ohne schikaniert zu werden.

    Danke grüne Internet-Politik. Das hätte man nämlich schon 1999 haben können so wie Liquid-Democracy eine Grüne Idee hätte sein müssen.

     

    @Spammer: Ich reloade das Captcha-Bild vor dem Absenden noch mal. Dann klappte es bisher glaube ich immer.

  • S
    Steuerzahler

    Finde ich in Ordnung. Falls man in Zukunft doch mehr Funktionen haben will kann man das ja dann weiter benutzen, sonst müssten die SteuerzahlerInnen die Kosten der Neuentwicklung schultern.

  • G
    gotcha!

    @ "gähn" :

     

    Der Vergleich mit Facebook hinkt, da dort der Benutzer freiwillig, und im Wissen um die Gefährlichkeit, seine Daten ins weite digitale Rund streut. Für die eigene Blödheit ist nach wie vor jeder selbst verantwortlich.

     

    Der eigentliche Skandal ist, dass hier ganz bewusst (mal wieder) gegen das Grundgesetz verstoßen, und auf die Vorgaben des Bundesverfassungsgericht auf gut Deutsch "geschissen" worden ist. Was wir hier erleben, ist der schleichende Tod unseres Rechtsstaats, und als Bürger dieses Landes bin ich nicht bereit, das einfach so hinzunehmen.

  • R
    Realist

    Wer glaubt, dass die Äußerungen unserer Regierung einen Wahrheitswert haben, der belügt sich selbst!!!Gestzestreue kennt unsere Regierung eh nicht.

    Deutschland ist kein demokratischer Staat, denn dann würden Gesetze von der Executive auch geachtet werden.

    Der Vertrag zur Einführung des EURO z.B. ist nicht das Papier wert auf dem er steht.Es geht auch nicht um die Rettung des EURO, sondern um die Sicherung des Kapitals der Spekulanten. Durch eine Bankenpleite würde kein einziger EURO verloren gehen, genauso wie bei einer Firmen Pleite. Lediglich Anleger, die in nicht gesicherte Anlagen "investiert" haben, hätten etwas Geld verloren, das aber war jedem vor dem Anlegen bekannt.

    Diese Regierung gehört aus dem Amt gejagt.

  • S
    Spammer

    Sorry, für die doppelten und dreifachen Kommentare, aber wenn man nicht mal die Meldung bekommt, dass Kommentare in der Warteschleife sind oder so etwas, dann geht man eben davon aus, dass einem NoScript oder was auch immer wieder einmal dazwischen gefunkt hat und schickt den Kommentar ein zweites oder drittes Mal ab, bis man dann, so denkt man, erfolglos aufgibt und sich ärgert, etwas geschrieben zu haben. Meine Bitte: Modifiziert doch Euer Kommentar-Modul so, dass der oder die KommentatorIn weiß, woran er/sie ist.

     

    Irgendwie funktioniert auch das Neuladen des Captchas nicht. Vielleicht ein Problem mit HTTPS-Everywhere oder ganz Allgemein mit SSL auf taz.de - bitte mal überprüfen. Das Problem hatte Netzpolitik vor Kurzem auch.

     

    Tschö mit ö!

  • H
    Hans

    @Frage: Soweit ich weiß kommt der Code von verschiedenen Rechnern aus unterschiedlichen Bundesländern die in aktuellen Fällen eine Rolle spielten - sprich Computer von denen bekannt ist dass die Polizei ein Auge auf sie geworfen hat. Da wäre ein Befall mit ein und denselben Trojaner, der sonst nirgendwo zu finden ist, doch mehr als unwahrscheinlich.

     

    @Gesellen sind kein Meister:

    Software wie Windows & Co haben schon eingebaute Backdoors für die NSA. Das ist schon so in den Exportbestimmungen drin. Sie haben gar kein Interesse dran den Computer des Endnutzers sicher zu machen dass staatliche Schnüffler da nicht mehr rankommen.

  • GS
    Gesellen sind kein Meister

    Nach dem Kindergarten mit OpenLeaks wenigstens mal was Sinnvolleres vom CCC.

     

    Jeder Geheimdienst kann und will einen verseuchen. Alle BITKOM-Kunden und DAX30-Chefs usw. würden also Schutz und überprüfbarkeit von Systemen fordern.

    Dazu würde es reichen, das Microsoft usw. ihre dlls usw. signieren und die Listen herausgeben. Das tun sie auch. Aber es gibt keine Projekte und "virentester" oder "sauberkeits-tester" die darauf basieren. Was nicht sauber ist, wird (nachgefragt) auf virustotal zum testen mit "allen" Virentestern hochgeladen wenn es keine privaten Daten sind (was bei .DLL/.EXE nur begrenzt bei Testern, Programmierern und deren Umfeld der Fall ist).

    Microsoft wird kaum dlls und exe-Dateien signieren die verseucht sind. Davon wären ja dann auch US-Firmen betroffen.

    Das wäre mal ein Projekt für CCC oder Privatpersonen in abmahnfreien Ländern.

    Denn man fängt sich schnell was ein und daher gibt es ja vom BSI auch spezielle saubere Onlinebanking-CDs. Da gehen halt die Treiber für Drucker und Scanner oder DVB-T (West-TV oder BBC schauen oder in Syrien oder Diktaturenwas dort an Sendern verboten ist) nicht usw.

    Der Aufwand ist überschaubar und der Nutzen wäre hoch. In freien Ländern könnte man das Wikimäßig aufsetzen. Danke Grüne für Eure überlegene abmahnfreie Internet-Politik.

  • PL
    Pia Loge

    Hey! Warum wird hier mal einfach so mein Passwort verraten?

  • G
    gähn

    EILMELDUNG: BUNDESTROJANER SPIONIERT FAST SOVIEL WIE FACEBOOK - PIRATENPARTEI EMPÖRT

  • A
    aurorua

    Dann bleibt nur zu hoffen, dass z.Bsp. Anwälte der PIRATEN dieses offenbar verfassungswidrige, polizeistaatliche Überwachungsinstrument notfalls durch alle Instanzen auf seine Verfassungsmäßigkeit überprüfen lassen.

    Aber wie so oft lässt der Michel die da oben ja machen was sie wollen und nickt alles bloß ab.

  • F
    Frage

    Die Herkunft des Trojaners ist ungeklärt. Mir fehlen ganz schlicht die Beweise dafür, dass es sich um den Bundestrojaner oder zumindest um ein Schadprogramm vom deutschen Staat handelt. Warum lässt der CCC nicht durchblicken, wonach sie den Trojaner als "staatlich" klassifizieren? Was schließt aus, dass es sich um einen Fake handelt? RAT's gibt es wie Sand am Meer und deren Programmierer sind meist Jugendliche oder junge Erwachsene.

     

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    Netop Mobile & Embedded

    Y3k RAT

    Optix Pro

    LANfiltrator

     

    Was lässt den CCC darauf schließen, dass der "Bundestrojaner" um den es hier nun geht, nicht auch aus ähnlicher Feder stammt?

  • F
    Frage

    Die Herkunft des Trojaners ist ungeklärt. Mir fehlen ganz schlicht die Beweise dafür, dass es sich um den Bundestrojaner oder zumindest um ein Schadprogramm vom deutschen Staat handelt. Warum lässt der CCC nicht durchblicken, wonach sie den Trojaner als "staatlich" klassifizieren? Was schließt aus, dass es sich um einen Fake handelt? RAT's gibt es wie Sand am Meer und deren Programmierer sind meist Jugendliche oder junge Erwachsene.

     

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    Was lässt den CCC darauf schließen, dass der "Bundestrojaner" um den es hier nun geht, nicht auch aus ähnlicher Feder stammt?

  • F
    Frage

    Die Herkunft des Trojaners ist ungeklärt. Mir fehlen ganz schlicht die Beweise dafür, dass es sich um den Bundestrojaner oder zumindest um ein Schadprogramm vom deutschen Staat handelt. Warum lässt der CCC nicht durchblicken, wonach sie den Trojaner als "staatlich" klassifizieren? Was schließt aus, dass es sich um einen Fake handelt? RAT's gibt es wie Sand am Meer und deren Programmierer sind meist Jugendliche oder junge Erwachsene.

     

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    Was lässt den CCC darauf schließen, dass der "Bundestrojaner" um den es hier nun geht, nicht auch aus ähnlicher Feder stammt?