Chancengleichheit für Kinder: Neukölln sucht nach Worten
Viele Kinder mit Sprachdefiziten besuchen keine Kita. Linke-Fraktion in Neukölln sieht ein „Anspracheproblem“ seitens des Bezirks.
Der Neuköllner Linken-Politiker Philipp Dehne sieht ein „Kommunikationsproblem“ seitens des Bezirksamts: „Man muss die Familien so ansprechen, dass sie auch eine Chance haben, ihr Recht auf einen Betreuungsplatz für ihr Kind wahrzunehmen.“ Das sei nämlich häufig nicht der Fall. Die Familien bekämen Anschreiben in „Behördendeutsch“, dass gerade für diejenigen mit geringen Deutschkenntnissen eine Hürde sei. Dabei hätten die Kinder ein Recht auf Förderung. „Da muss seitens des Bezirksamts eine Informationsleistung erbracht werden“, fordert Dehne.
Jugendstadträtin Mirjam Blumenthal (SPD) ist sich des Problems durchaus bewusst: Dass Kinder vor der Einschulung gut Deutsch könnten sei „leider noch nicht die Realität“, sagt sie am Mittwoch auf taz-Anfrage. Sie fordert an die Adresse der Senatsbildungsverwaltung einen frühzeitigeren Datenabgleich vom Melderegister mit den Kitaplatzdaten, um Familien früher ansprechen zu können: „Wenn wir früher wissen, wie viele Kinder Sprachbedarf haben, können wir auch besser über den tatsächlichen Bedarf in Kitas oder anderen Einrichtungen zur Sprachförderung sprechen.“
Es ist auch ein Platzproblem
Blumenthal verweist darauf, dass man über das Organisationsproblem auch ein Kitaplatzproblem habe – „vor allem aufgrund des hohen Fachkräftemangels“. Angespannt dürfte die Situation bleiben: Bei den geplanten Fördermaßnahmen zum Kita-Ausbau ist Neukölln im Bezirksvergleich auf den hinteren Plätzen. Laut Bedarfsatlas der Bildungsverwaltung hat sich die Versorgungsituation zumindest in Nord-Neukölln für Familien aber zuletzt wiederum auch eher entspannt.
So oder so bleibt die Frage, wer die Kitaplätze am Ende bekommt. Die Neuköllner Linke-Fraktion fordert deshalb in einem Antrag an das Bezirksamt, dass Kita-Träger Platzkontingente für Kinder freihalten sollen, bei denen ein Sprachförderbedarf festgestellt wurde. Der Bezirk solle die Träger für nicht belegte Plätze entschädigen. Nicht realistisch, sagt Jugendstadträtin Blumenthal. Ein „Abweichen von der Finanzierungslogik“ wäre „extrem komplex“ und „rechtlich nicht möglich“ – freie Plätze müssten besetzt werden, immerhin gebe es einen Rechtsanspruch auf eine Kitaplatz.
Immerhin: Eine Arbeitsgruppe aus Jugend- und Schulamtsmitarbeiter*innen soll sich nun zumindest um das „Anspracheproblem“ kümmern. Die Senatsbildungsverwaltung hatte kürzlich zum Start des neuen Kitajahres im August erklärt, man wolle insbesondere die seit Jahren bei 95 Prozent verharrende Betreuungsquote bei den 3- bis 6-Jährigen weiter ausbauen.
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