: Chance verpasst
Ein Liebespaar mit Hemmnissen und ein überforderter Regisseur: Lessings „Minna“ kommt nicht in die Gänge
Ein Herzenskampf in kriegerischen Zeiten. Er, ein tapferer Mann des preußischen Königs, hat sich menschlich, allzu menschlich verhalten. Von den gegnerischen Sachsen, bei denen er Geld eintreiben sollte, hat er nur den kleinsten Betrag gefordert und ihnen zudem Kredit gewährt. Die Armee hat ihn dafür entlassen. Sie aber liebt ihn just wegen seines Großmuts: Minna von Barnhelm und Major Tellheim wollen ein Paar werden.
Verarmt, im Krieg zum Krüppel geworden und in seiner Ehre verletzt, sieht sich Tellheim außer Stande, der wohlhabenden Minna die Hand zu reichen. Sie treffen sich zufällig in einem Berliner Gasthaus wieder und es beginnt ein Verwirrspiel, in dem die kluge Minna versucht, ihren geliebten, beschädigten Mann mit seinen eigenen Waffen zu schlagen. Ein Streich, ein pädagogischer, der böse enden könnte...
Lessings schwer verwickeltes Lustspiel mit dem düsteren Hintergrund bietet jedem Ensemble die Chance, große Figuren auf die Bühne zu stellen. Das setzt aber einen Regisseur voraus, der weiß, worauf er hinauswill. Titus Georgi, der in Bremerhaven zuletzt eine sehenswerte „Leonce und Lena“-Inszenierung gezeigt hatte, ist mit „Minna von Barnhelm“ offensichtlich überfordert.
Seine beiden Protagonisten Tellheim (Kay Krause) und Minna (Hella-Birgit Mascus) bleiben beide gleichermaßen hölzern und blass. Dass und warum es irgendeine Art herzzerreißender Beziehung zwischen ihnen geben soll, bleibt ihr Geheimnis. Tellheim ist nicht der in seinen Konventionen schmerzhaft gefangene Soldat, der vom Ehrgefühl beschädigte Mann und Minna nicht das süße, junge Geschöpf mit der kriegerischen Kampfeslust. Weder erotische noch Herzensströme gehen von den beiden aus.
Eher krampfhaft bemüht sich Georgi darum, den Nebenfiguren komödiantisches Leben einzuhauchen. So gibt Frerk Brockmeyer Tellheims Kammerdiener Just als gutmütigen, derben Clown, und Guido Fuchs muss Tellheims Freund Werner als schwer verliebten Tölpel zeigen. Die Gags am Rande, die daraus entstehen, wirken größtenteils mehr überzogen als überzeugend. Wo die große Linie fehlt, sollen kleine Mätzchen darüber hinwegtäuschen, dass hier ein Klassiker der Theaterliteratur lustlos auf die Bühne gehievt wurde. Georgi hat die Fremdheit, die Lessing für heutige Augen und Ohren bietet, nicht als Chance begriffen. Herausgekommen ist ein biederes und bis zur Schmerzgrenze chargierendes „Beziehungskisten“-Gerangel.
Hans Happel
Stadttheater Bremerhaven, Kleines Haus, weitere Vorstellungen: am 20., 24. Und 27. April