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Archiv-Artikel

Chance auf Zweitligaverbleib wächst

MÄNNERFUSSBALL Union Berlin gewinnt gegen den FC St. Pauli und sichert sich Punkte für den Klassenerhalt

„Wir hatten etwas mehr Willenskraft“

UNION-TRAINER UWE NEUHAUS

Wunderschöne Tore lassen sich profan beschreiben. „Er ist mir gut abgerutscht“, sagte Union-Spieler Torsten Mattuschka zu seinem mit viel Schnitt getretenen Freistoßtreffer in der 10. Minute, durch den er sein bis dahin verschlafenes Team ins Spiel brachte. Auch danach war Mattuschka als präziser Ballverteiler maßgeblich daran beteiligt, dass die Berliner am Ende mit 2:1 gegen den FC St. Pauli siegten.

Der 29-Jährige verkörpert wahrscheinlich so gut wie kein anderer Spieler die Geschichte von Union Berlin. Vor fünf Jahren schnürte er in der Oberliga für Union seine Schuhe. Eine Spielklasse, die weit unter seinem möglichen Niveau lag. Indes: „Ihm fehlte damals die Selbstdisziplin, professionell zu leben“, sagt sein heutiger Trainer Uwe Neuhaus. Auch der Markenverein Union Berlin mit seiner Anhängerschaft stand damals so weit unten, weil er zu wenig aus seinen Möglichkeiten machte.

Am Samstag schienen die Köpenicker wieder einmal an diesem Problem zu leiden. Kurz vor dem Ende stand es trotz bester Möglichkeiten durch Dominik Peitz und Björn Brunnemann nur 1:1. Es wäre das fünfte Remis in den vergangenen sechs Spielen gewesen. Neuhaus bekannte hinterher: „Ganz ehrlich, noch ein 1:1 hätte ich nicht mehr ertragen können. Das habe ich schon auf der Bank gesagt.“

Aufgrund der Pünktchenserie ist für Union nämlich zuletzt die ungeklärte Abstiegsfrage zu einer Hängepartie geworden. Das wäre auch nach dem Spiel gegen St. Pauli so geblieben, wenn nicht der eingewechselte Karim Benyamina in der 87. Minute den Ball doch noch ins Tor untergebracht hätte. Als der 2:1-Erfolg feststand, feierten die 19.000 Zuschauer in der Alten Försterei ihr nun Freudentänze vollführendes Team euphorisch.

Das gesteckte Ziel des Aufsteigers, der Klassenerhalt, ist jetzt drei Spieltage vor dem Saisonende mit neun Punkten Vorsprung auf den 16. Platz so gut wie erreicht. Peitz verriet: „Die Erleichterung ist schon sehr groß.“ Mit dem Sieg gegen St. Pauli hat Union seine Zweitligatauglichkeit eindrücklich unter Beweis gestellt. Schließlich kämpfte der Tabellenzweite aus Hamburg um wichtige Punkte für den Aufstieg.

Dass es am Samstag um so entscheidende Themen wie Auf- und Abstieg ging, konnte man mitunter durchaus vergessen. Bereits im Vorfeld wurde von beiden Klubs die Partie zum Duell der Kultvereine hochstilisiert. Man stellte die Gemeinsamkeiten der Fanszenen heraus – bedingungslos lautstark und aufopferungsbereit. „Fußball pur“ versprach Union Manager Christian Beeck. Und sein Gegenüber von St. Pauli Helmut Schulte schwadronierte noch in der Halbzeitpause von der gemeinsamen Blutsbrüderschaft. Ihren Höhepunkt fand die gemeinsam gepflegte Fußballromantik, als nach dem Spielende die Gästepieler auf dem Weg in die Kabine dem Union-Fanblock anerkennenden Applaus spendeten und aus diesem wiederum mit „St. Pauli, St. Pauli“-Sprechchören geantwortet wurde.

Um im Bild zu bleiben: Der kleine Bruder hatte den großen Bruder geschlagen; sonst schaut er eher bewundernd zu ihm auf. Allerdings machte sich am Samstag das ungleiche Kräfteverhältnis nur in den ersten zehn Minuten bemerkbar, als die selbstbewussten Hamburger nämlich das Berliner Spiel gar nicht erst zuließen, ihrer Kombinationskunst sei Dank. Danach entwickelte sich ein Duell auf Augenhöhe. Den Ausschlag für Union gab dann, „dass wir ein klein bisschen mehr Willenskraft hatten“. Befand jedenfalls Trainer Neuhaus. JOHANNES KOPP