Champions League: Schlaflos in Stuttgart
Nach dem 0:2 gegen Lyon wird die Krise des deutschen Fußballmeisters Stuttgart zunehmend zu einer Krise von Trainer Armin Veh.
STUTTGART taz Die Nacht brachte nicht viel Ruhe. Der Trümmerhaufen, der am Abend zuvor vor seinen Füßen lag, war zu groß, um einfach zu verschwinden. "Einem Trainer geht es nie gut in einer solchen Situation", sagte Armin Veh am Tag danach. "Der ist ja dafür verantwortlich." Veh schläft kaum. Wie immer nach Spielen. Besonders nach einem solchen. Fast verzweifelt kramte Veh nach positiven Aspekten eines Spiels, das 0:2 gegen Olympique Lyon verloren ging und praktisch das Aus in der Champions League bedeutet.
Fußball-Feiertage in Schwaben fallen seit langem aus, aber diesmal präsentiert sich der deutsche Meister als leblose Mannschaft, die zu zerfallen droht. Der "Fußballer des Jahres", Mario Gomez, sucht die Schuld bei anderen und wird mit abstrusen Vorschlägen auffällig: "Uns hilft nur noch saufen." Die halbe Mannschaft posiert im Lifestylemagazin. Roberto Hilbert erzählt, wo er sich tätowieren lässt. Dem deutschen Meister scheint nicht nur die Kontrolle über seine einst so gepriesene Spielkultur entglitten.
Lange blieb Armin Veh nach dem Schlusspfiff allein und regungslos auf seiner Bank sitzen. "Das war spontan", sagte der 46-Jährige, "das hatte keine Bedeutung." Die Bilder davon aber haben Bedeutung: Sie zeigten einen einsamen Trainer, der zwar noch auf die Geduld der Vereinsführung bauen darf. Aber wie lange noch? Zu dramatisch der Niedergang, zu groß inzwischen die Zweifel. In solch rasantem Tempo ging es selten für einen Titelträger bergab. Im Stadion war die Lethargie mit Händen zu greifen. Irgendwann pfiffen selbst die Zuschauer nicht mehr. Man ertrug nur noch.
"Wir sind nicht in der Lage, dagegenzuhalten oder gar Torchancen zu erarbeiten", analysierte Veh. Verzweiflung schwingt mit. Er, sagte Veh, werde "nicht aufgeben". Es besteht aber die Gefahr, dass andere wie Präsident Erwin Staudt oder der Aufsichtsratschef Dieter Hundt handeln werden. Längst wird in der Führungsetage über personelle und taktische Fehlgriffe des Trainers gesprochen. Hundt war ohnehin nie ein großer Bewunderer Vehs.
Im Team entdecke er keinen Zwist, sagt der Trainer. Auch hier sprechen die Bilder eine andere Sprache. Da Cacau, der wütend herumschnauzt, dort Gomez, der frustriert den Betrieb einstellt, da Kapitän Fernando Meira, der sich innerlich verabschiedet hat, weil Juventus Turin lockt. Die gegenseitigen Schuldzuweisungen haben begonnen.
Als Horst Heldt, der Manager, am Tag danach aus dem Krisenzentrum der "Roten" ins Freie trat, war die Vorstandssitzung im großen Saal des VfB-Hauptquartiers ohne Ultimaten über die Bühne gegangen. "Wir spüren die Unterstützung des Vorstands", sagt Heldt. Nach einer Sitzung mit der Mannschaft gab es die "dunkelgelbe Karte" (Heldt) für Cacau: "Er hat sich entschuldigt und hat einen Schuss vor den Bug bekommen." Solche Reaktionen werde man nicht dulden und notfalls "den Kurs ändern". Derzeit aber käme es einem Wunder gleich, gelänge es, die Mannschaft wieder aufzurichten. Bis Samstag gegen Leverkusen und vielleicht überhaupt noch einmal. OLIVER TRUST
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