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■ DaumenkinoChabrols 50ster

Das Gaunerpärchen Betty (Isabelle Huppert) und Victor (Michel Serrault) setzt in Hotels Kongreßmitglieder mit K.o.-Tropfen außer Gefecht und nimmt sie dann aus. Dabei achtet Victor peinlich genau darauf, dem Opfer immer nur soviel wegzunehmen, daß es sich später nicht sicher ist, wirklich bestohlen worden zu sein. Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste. Kleine Diebe, bis Betty eines Tages einen wirklich großen Coup plant.

Claude Chabrol ist nicht der Mann, der zur Feier seines 50. Films ein besonders würdevolles Thema in Angriff nimmt. „Das Leben ist ein Spiel“ ist eine Komödie, die an amerikanische Vorbilder aus den 30er Jahren erinnert. So richtig haut es aber nicht hin. Zu viel bleibt undurchsichtig. Und einmal wird es dann auch richtig albern: Da sprechen die zwei davon, nach Paris zu fahren, dann sehen wir sie auf der Autobahn nach Paris, und dann schwenkt die Kamera auch noch vom Eiffelturm in Victors Wohnung. Schon gut, wir haben verstanden! Wir sind in Paris! Der ganze Film hat etwas Unordentliches, aus dem Handgelenk Hingeworfenes. Schwer zu sagen, was Absicht und was schlechtes Drehbuch ist.

Aber es gibt auch ganz wunderbare Szenen. Zum Beispiel wenn Isabelle Huppert gleich zu Beginn einen kleinen Geschäftsmann (Jackie Berroyer) verführt. Mit schwarzer Perücke und schmalem, blutrotem Mund (sie wäre die ideale Coco Chanel!) stößt sie den biederen Provinzler in der Hotelbar vor den Kopf und lockt ihn dann wieder, daß dem Armen ganz heiß und kalt wird. Jackie Berroyer ist ein großartiges Opfer. Er kann gar nicht glauben, daß er angemacht wird, ist schüchtern, und im nächsten Moment, wenn seine Kumpels hingucken, greift er roh ihren Arm. Die ganze Szene ist so komisch, wie man sich das im wirklichen Leben vorstellt. Michel Serrault sitzt derweil wie eine Spinne an der Bar und belauert den Hergang des Spiels.

Als Betty den schönen und dummen Maurice kennenlernt, einen Mafiakurier mit fünf Millionen Franc im Gepäck, wird es verwickelt. Jeder der drei treibt sein eigenes Spiel, bis man nicht mehr durchblickt und der betrogene Mafiaboß eingreift. Chabrol setzt dessen Gewalttätigkeit mit schamloser Frivolität in Szene: Zu den dramatischen Klängen von Puccinis „Tosca“ schickt er Betty nach oben ins Bad. Die Musik macht eine kleine Pause, in die liebevoll Bettys stummer Schrei choreographiert ist — der arme Maurice liegt mit einer Stricknadel im Auge in der Wanne. Da kann die Kritikerin nur noch wie eine Dreigroschenheldin flüstern: Victor, jetzt laß dir aber was einfallen! Anja Seeliger

„Das Leben ist ein Spiel“. Regie: Claude Chabrol. Mit Isabelle Huppert, Michel Serrault, François Cluzet, Jackie Berroyer. Frankreich 1997, 113 Min.

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