Castro verbietet Box-WM-Teilnahme: Kein Faustrecht für Kubaner

Sie sind die Erfolgreichsten der Welt, doch die Amateur-WM in Chicago muss auf Castros Faustkämpfer verzichten. Der alte Diktator fürchtet den Lockruf des Kapitalismus.

"Herber Substanzverlust": Auch Olympiasieger Guillermo Rigondeaux muss zu Hause bleiben. Bild: dpa

Bei einer Weltmeisterschaft streiten gewöhnlich die besten Fachkräfte einer Sportart um Medaillen. Das war im Boxspport schon immer anders, wo die Allerbesten als Profis ihr Geld verdienen, bei Olympia oder Weltmeisterschaften aber sogenannte Amateure die Fäuste kreuzen. Die heute beginnende WM in Chicago allerdings findet selbst ohne die allerbesten Amateure statt. Ausgerechnet die Seriensieger aus Kuba haben die Titelkämpfe abgesagt.

Der deutsche Bundestrainer Helmut Ranze hat das mit einem weinenden und einem lachenden Auge registriert. "Natürlich ein herber Substanzverlust" ist die Absage der Faustkämpfer von der Insel, schließlich sind die "gemeinsam mit den Russen sicherlich der Maßstab". Allerdings, so Ranze, ist "die internationale Spitze in den letzten Jahren immer weiter zusammengerückt".

Aber nach Chicago, ausgerechnet ins Land des Klassenfeindes, wollte der kubanische Verband seine Staffel nun partout nicht schicken. Zu groß ist die Angst, die schlagkräftigen Staatsamateure könnten sich absetzen, denn schließlich sind sie im Profilager heiß begehrt. In Chicago, so hatte es Kubas kranker Staatschef Fidel Castro vorausgesehen, wäre die "Mafia", gemeint sind Talentscouts der Profiboxpromoter, zugegen gewesen und hätten versucht, Kubas Boxers mit Offerten zu ködern. Zuletzt war das bei den Panamerikanischen Spielen in Rio de Janeiro geschehen und prompt hatten sich Weltmeister Erislandy Lara und Olympiasieger Guillermo Rigondeaux, bis dahin die Aushängeschilder der Staffel, vom Acker gemacht.

Darüber hatte sich Kubas oberster Sportfan Fidel Castro so aufgeregt, dass er die Teilnahme an der WM in Chicago trotz der reumütigen Rückkehr von Rigondeaux und Lara früh infrage gestellt hatte. Man wolle den Boxpromotern - unter anderem dem Hamburger Arena-Boxstall, wo gleich vier Kubaner unter Vertrag sind - "kein Frischfleisch" liefern. Ohne die technisch versierten Boxer aus Kuba steigen allerdings auch die Chancen der deutschen Staffel, die wie alle anderen auch die Olympischen Spiele in Peking fest im Visier haben.

Peking ist der Saisonhöhepunkt und die Weltmeisterschaft in Chicago nur eine Art Warm-up im Vierjahreszyklus des Amateurbox-Community. Allerdings ein Warm-up mit Bedeutung, denn in Chicago können die Boxer aus 114 Nationen nicht nur die eigene Form prüfen, sondern auch gleich das Ticket für Peking lösen. Kein Wunder, dass 623 Boxer, so viel wie nie zuvor bei einer WM, für Chicago gemeldet haben.

Darunter ist auch Bachtijar Artajew. Der 24-jährige Mann mit den harten Fäusten ist in Kasachstan Nationalheld. Bei den olympischen Spielen in Athen stürzte er das ganze Land mit dem Gewinn der Goldmedaille im Weltergewicht in einen Freudentaumel. In Chicago gehört Artajew zum engsten Favoritenkreis und der Mann aus Tara wird sich freuen, dass Erislandy Lara in Chicago nicht in den Ring steigen wird. Der 24-jährige Kubaner hatte ihm bei der letzten WM in chinesischen Mianyang im Halbfinale ausgepunktet und dem erklärtem Favoriten die Goldmedaille streitig gemacht.

Kasachen, Usbeken und Tadschiken gehören neben den USA und den favorisierten Russen zum Favoritenkreis. Vor allem in Osteuropa herrscht ein regelrechter Boxboom, der einhergeht mit den Erfolgen von Profiboxern wie Ruslan Tschagajew. Aber auch in Südkorea, China und Indien hat das Boxen an Stellenwert gewonnen, so dass nicht nur die US-Staffel Schwierigkeiten haben wird, alle elf Boxer für Peking zu qualifizieren.

Ziel der Amerikaner ist es, an erfolgreiche Amateurboxzeiten anknüpfen, und mit Fliegengewichtler Luis Yanez und Bantamgewichtler Gary Russel stellen sie zwei Favoriten. Mindestens zwei Favoriten hat auch Helmut Ranze in der Staffel, auch wenn er davon nichts wissen will. Rustam Rahimov im Bantamgewicht und Alexander Povernov im Schwergewicht heißen die Asse, die bei der letzten WM Silber beziehungsweise Bronze holten. Auch Fliegengewichtler Ronny Beblik rechnet sich Medaillenchancen aus, auch wenn der Coach von derartigen Spekulationen nichts hält: "Kleinigkeiten entscheiden über Sieg oder Niederlage", so Ranze.

Dessen Ziel ist es, möglichst viele seiner jungen Boxer direkt für Peking qualifizieren. Die Kubaner werden hingegen die Titelkämpfe im Internet verfolgen müssen und sich für die im Frühjahr 2008 anstehenden Qualifikationsturnieren in Südamerika vorbereiten. Dort werden die letzten Tickets für Peking vergeben, und dabei sein ist für Kubas Staffel dann wieder Pflicht.

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