Carlofts auf dem Wohnungsmarkt: "Kreuzberger interessieren sich nicht dafür"
Die Carlofts sind ein Spezialangebot für Zugezogene, sagt der Immobilienspezialist Andreas Habath. Deshalb könne die Krise zu Problemen führen. Jedenfalls mehr als die Szeneproteste.
Der Sachverständige für Immobilienbewertung ist stellvertretender Vorsitzender der Region Berlin-Brandenburg im Immobilienverband Deutschland (IVD) und hat federführend den IVD-Marktmietspiegel für Berlin miterstellt.
taz: Herr Habath, die Carlofts in Kreuzberg finden offenbar keine Abnehmer. Die Anbieter begründen das mit der Wirtschaftskrise, die linke Szene hingegen wertet das als Erfolg ihrer Proteste gegen das Symbol der Gentrifizierung. Wer hat recht?
Andreas Habath: Zunächst einmal überrascht mich das Vermarktungsproblem. Vor zwei Jahren hieß es, die Carlofts seien nahezu alle verkauft. Allgemein kann man in Berlin die Wirtschaftskrise ganz sicher nicht für sinkende Immobilienverkäufe verantwortlich machen. Wirtschaftlich gehört die Stadt schon seit Jahren nicht zu den Leuchttürmen in Deutschland.
Gilt die Krisenresistenz auch für das Carloft?
Alteingessene Kreuzberger interessieren sich nicht dafür. So eine Spezialimmobilie ist eher für Zugezogene aus Deutschland oder dem europäischen Ausland interessant. Da kann es sein, dass es durch die Krise momentan ein Problem gibt.
Selbst Gutsituierte können sich so ein Loft nicht mehr leisten?
Die Carlofts sind nicht nur mit einer speziellen Idee, sondern auch mit Kosten verbunden. Und vor allem die Betriebskosten sind zuletzt allgemein exorbitant gestiegen.
Die Demonstrationen gegen Gentrifizierung und Farbbeutelwürfe gegen das Carloft-Gebäude haben Ihrer Meinung nach keinen Einfluss auf den Verkauf?
Wenn das so wäre, wäre da nicht nur ein Haus von betroffen. Und zur Gentrifizierung muss ich sagen, die wird überwertet …
… aber im Marktmietspiegel, den der Immobilienverband IVD gerade vorlegt hat, haben Sie explizit für den Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg weiter steigende Mieten prognostiziert.
Ja, aber nur für einzelne Lagen. Da will jemand in den Simon-Dach-Kiez und ist bereit, 10 Euro pro Quadratmeter zu zahlen. Im Bezirk gibt es aber auch passable Wohnungen für 5,50 Euro - und zwar nahezu flächendeckend. Das Berliner Mietenniveau ist vergleichbar mit Gütersloh. Zudem sind die Bestandsmieten durch den offiziellen und viel zu niedrigen Mietspiegel gegen Erhöhungen geschützt.
Wer umziehen muss oder will, muss aber mit deutlich höheren Mieten rechnen.
Ja, in beliebten Vierteln. Aber niemand das Recht, in einer bestimmten Straße zu wohnen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis
Gewalt an Frauen
Ein Femizid ist ein Femizid und bleibt ein Femizid