Auflösung der PKK: Versöhnung und Gerechtigkeit – für alle
Der bewaffnete Kampf der PKK ist nun offiziell Geschichte. Aber Vorsicht: Die Rechte der Kurd*innen sind für Erdoğan nur ein Teil eines Machtkalküls.

E inen Moment mal innehalten: Die PKK verkündet ihre Auflösung und damit das Ende ihres bewaffneten Kampfes – Jahrzehnte voller blutiger Kämpfe zwischen dem türkischen Staat und der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistan gehen damit zu Ende. Drei Generationen sind mit diesem Konflikt groß geworden, zehntausende Menschen sind ihm zum Opfer gefallen, auch Kinder. So viele Kinder.
So viel Hass, so viel Schmerz. Auf beiden Seiten. Es ist ein kollektives Trauma, das auch Menschen in der Diaspora betrifft. Es ist gut, dass es nun endlich vorbei ist. Aber ist es wirklich vorbei? Die kurdische Bewegung hatte den Kampf für ihre Rechte schon vor Jahren parallel zum bewaffneten Kampf ins Parlament verlegt.
Das war nicht einfach. Selahattin Demirtaş, der inhaftierte ehemalige Co-Vorsitzende der HDP – der Vorgängerin der kurdischen DEM-Partei –, hatte es mit strategischem Geschick geschafft, neue Wählergruppen zu erschließen und den Kampf der Kurd*innen als den Kampf für die Rechte aller Völker in der Türkei umzudeuten.
Er hatte 2023 die Präsidentschaftskandidatur des CHP-Politikers Kemal Kılıçdaroğlu unterstützt und damit den Weg für weitere Allianzen bei den Kommunalwahlen 2024 geebnet. Das Ergebnis: Die AKP fuhr das erste Mal in ihrer Geschichte landesweit Verluste ein.

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Bei aller Euphorie über das Ende der Gewalt darf man nicht vergessen: Die Rechte der Kurd*innen sind für Erdoğan nur Verhandlungsmasse. Die Freilassung Öcalans wurde kurz vor der Verhaftung Ekrem İmamoğlus verkündet. Das war kein Zufall: Es gefährdet die fragile Allianz zwischen der DEM und der CHP, und genau das will die AKP erreichen. Gleich zwei große Oppositionsparteien gegen sich zu haben, ist gefährlich für Erdoğan.
Die DEM-Partei hatte sich bei den jüngsten Protesten sogar von der CHP distanziert, um den Friedensprozess nicht zu gefährden. Sie hat aber klargestellt: Sie will Versöhnung. Und Gerechtigkeit – für alle. Dazu gehört auch die Freilassung İmamoğlus. Es bleibt zu hoffen, dass der lang ersehnte Frieden sie das nicht vergessen lässt.
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