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CannesCannesDen Schreihals lieben

■ Zuviel Shakespeare-China bei Chen Kaige, viel Gegickel bei Pedro Almodóvar und ein Killer für Klaus Kinski

Mit der Sonne ist endlich auch Supercannes am Horizont der Croisette aufgetaucht; die blendendweißen Motoryachten, die stets einen kleinen Hubschrappschrapp an Bord haben, für den abendlichen Landgang. Ein gehöriges Bild, bedenkt man die Hunderte von Millionen Dollar, die hier auf dem Filmmarkt um- und auf dem Festival in den Sand gesetzt werden.

Auch Chen Kaige, der chinesische Starregisseur, hat bei „The Emperor And The Assassin“ mit dem Geld nur so um sich geworfen und den teuersten Film abgeliefert, der jemals in der Volksrepublik China gedreht wurde. Naturgemäß handelt es sich um ein Historiendrama; es spielt um 220 vor Christus, als das chinesische Festland erstmals unter dem Herrscher Ying Zheng vereint wurde.

Die Ideologie des Imperiums ist die altbekannte: Sind erst einmal alle rivalisierenden Reiche in einem einzigen vereint, ist dieses das Reich des ewigen Friedens. Das brutale Vorgehen des Kaisers läßt allerdings eher an ein Reich zum ewigen Frieden denken und liefert damit den dramatischen Stoff für die Handlung.

Wie nicht anders zu erwarten, ist jedes einzelne Bild bei Kaige (1993 mit der goldenen Palme für „Farewell My Concubine“ ausgezeichnet) perfekt und der Film große Intrigen- und Kriegsoper. Doch da man einfach schon zu viele Shakespeare-Filme vom Kaiser von China gesehen hat, scheint es so, als säße man in diesen Film nun auch schon zum hundertsten Mal. Das Vergnügen hat merklich nachgelassen.

Für Pedro Almodóvars „Todo sobre mi Madre“ gab es davor am Morgen lang anhaltenden, warmen Beifall. Endlich hatte das Publikum einen Film einfach genossen, es hatte gelacht und gegickelt und war zufrieden. Für „Alles über meine Mutter“ kehrte Almodovar in vertraute Gefilde zurück. Nach Barcelona, ins Theater- und Prostituiertenmilieu, zu seinen Familien, in denen Väter wie Mütter mit Brüsten gesegnet sind.

Manuala, Huma Rojo, Nina, Sister Rosa, besonders aber Antonia San Juan als hinreißende Agrado sind nicht perfekt, aber sie sind eben Frauen, und daher werden sie das Kind schon schaukeln. Es wird von Rosa geboren, leider in keiner solch spektakulären Szene wie in „Live Flesh“, und tatsächlich ist „Todo sobre mi Madre“ der deutlich schwächere Film. Auch wenn seine Schauspielerinnen Cecilia Roth und Marisa Paredes das Niveau von Javier Bardem, Angela Molina oder Francesca Neri ohne weiteres halten, Almodóvar selbst ist in seinen Inszenierungs- und Bildideen nicht auf der Höhe seiner vorangegangenen Arbeit.

Und dann ging es um einen, der endlich mal nicht das Herz eines Indianers hat: Klaus Kinski. Daß der Häuptling der Indio-Statisten am Ende der Dreharbeiten zu „Fitzcarraldo“ Werner Herzog anbot, Kinski zu töten, falls Herzog das wünsche, und davon ging der Häuptling wohl aus, spricht jedenfalls nicht für eine Seelenverwandtschaft. Herzog scheint sich im nachhinein noch so oft an dieses generöse Angebot erinnert zu haben, daß er jetzt den Dokumentarfilm „Mein liebster Feind“ drehen mußte, in dem er weitere eigene Mordkomplotte offenlegte. Es ist ein unterhaltsamer Film, und wenn auch wenig dafür spricht, den Schreihals Kinski zu lieben, so ist die Dokumentation auch eine Hommage an einen denkwürdigen Schauspieler und Exzentriker.

Diese Sorte scheint es nicht mehr zu geben. „Time Regained“, die Proust-Verfilmung von Raoul Ruiz, etwa glänzte durch absolut glanzlose Schauspielerei. Einzig John Malkovichs völlig manierierter Baron de Charlus ist sehenswert. Ihre Berichterstatterin hatte nun aber nicht das Gefühl, daß sie über zwei Stunden und vierzig Minuten auf Malkovichs wiederkehrende Auftritte hoffen wollte, und verließ das Theater vorzeitig. Brigitte Werneburg

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