piwik no script img

Cannabis in ThailandKiffen bald nur noch auf Rezept

Die Regierung will das erst vor drei Jahren legalisierte Cannabis jetzt wieder kriminalisieren. Ärztliche Rezepte sollen verpflichtend werden.

Protest gegen die geplante Cannabis-Kriminalisierung vor Thailands Gesundheitsministerium am Montag am Stadtrand von Bangkok Foto: Chalinee Thirasupa/reuters

Chiang Mai taz | In Bangkok ist am Montag die „Operation 7-7“ angelaufen, benannt nach dem Startdatum 7. Juli. Sie richtet sich gegen Gesundheitsminister Somsak Thepsuthin, der Cannabis wieder kriminalisieren und es künftig nur noch für medizinische Zwecke zulassen will.

Ziel der auf längere Zeit angelegten Protestaktion vor dem Gesundheitsministerium am Stadtrand ist die Forderung nach einer „sachgerechten Regulierung“ statt der Rückstufung von Cannabis zu einer verbotenen Substanz, sagt die Aktivistin Chokwan Chopaka der taz.

„Menschen aus der gesamten Cannabisbranche haben sich zusammengeschlossen, um auf ein umfassendes Cannabis-Gesetz hinzuarbeiten“, so Thailands bekannteste Streiterin für die Legalisierung von Cannabis.

Cannabis wurde noch vor wenigen Jahren als Hoffnungsträger für Wirtschaft und Tourismus gefeiert

Die Branche befindet sich an einem Wendepunkt: Wurde Cannabis noch vor wenigen Jahren als wirtschaftlicher und touristischer Hoffnungsträger gefeiert, droht mit der geplanten Wiedereinstufung als illegale Substanz das Aus für Zehntausende Kleinbetriebe und lokale Produzenten.

Kritiker sehen Monopolisierung samt Schwarzmarkt voraus

Die neuen Regeln sehen vor, dass nur noch speziell ausgebildete Ärzte sowie traditionelle Heiler Cannabis-Rezepte für medizinische Zwecke ausstellen dürfen, die in den Cannabis-Shops nur von medizinisch geschultem Personal eingelöst werden können.

Kritiker befürchten eine Monopolisierung durch staatlich geregelte Strukturen zur Kontrolle des Anbaus von Marihuana mit dem medizinischen Wirkstoff Cannabidiol (CBD) anstelle des psychoaktiven THC.

„Das schließt 99 Prozent der derzeit rund 11.000 Farmen aus“, sagt Chokwan und fügt hinzu: „Etwa 100 Farmen werden dann das Monopol haben. Das wird dem Schwarzmarkt Tür und Tor öffnen.“

Seit der Legalisierung im Jahr 2022 sind in dem südostasiatischen Königreich Cannabis-Plantagen und -Shops wie Pilze aus dem Boden geschossen. Alleine in Chiang Mai, dem mit mehr als einer Million Einwohnern zweitgrößten Ballungsraum des Landes, wird die Zahl der Ganja-Geschäfte auf mehr als 800 geschätzt.

Cannabis-Branche befürwortet sinnvolle Regelungen

Sie reichen von der kleinen Bude bis zu schicken Geschäften mit großen Schaufenstern, greller Werbung und wie Juwelen präsentierten Cannabisblüten unterschiedlichster Wirkung. Es gibt kaum jemand in der Branche, der nicht zur Qualitätssicherung und zum Schutz der Konsumenten für eine gesetzliche Regulierung ist.

Der aus Myanmar stammende Dape, der in einem der schicken Shops in Chiang Mais Thapae-Straße Cannabis verkauft und lieber nur einen Namen nennen will, sagt: „Wir beraten die Kunden. Wir fragen, ob sie schon Erfahrung mit Cannabis haben oder Erstkonsumenten sind. Dann versuchen wir rauszufinden, was sie erwarten: chillen oder Party machen? So können wir entsprechende Produkte empfehlen.“

Aber diesen Beratungsservice biete nicht jeder Cannabishändler und manche würden den Stoff auch einfach an Kinder und Jugendliche verkaufen, sagt Dape.

Er ist sauer auf die Politiker, die Cannabis als Instrument für ihre Machtspielchen missbrauchten. „Statt es für den privaten Konsum nur durch einen Erlass freizugeben, hätten sie lieber gesetzliche Rahmenbedingungen für Konsum, Anbau und Verkauf geschaffen“, findet der 24-Jährige.

Debatte wurde „mit Verweisen auf die Moral“ geführt“

Die Propaganda gegen Cannabis läuft seit Langem auf Hochtouren. Allerlei Experten warnen vor einem Anstieg der Kriminalität, der Gefährdung der Gesundheit junger Leute, führen das längst widerlegte Argument von Cannabis als Einstiegsdroge ins Feld, bezweifeln den Nutzen der Legalisierung für Thailands lahmende Wirtschaft und seinen Tourismus, ohne aber ihre Befürchtungen mit Daten und Fakten zu belegen.

„Die ganze Debatte wurde zunehmend mit Verweisen auf die Moral geführt“, klagt Chokwan.

Aus Protest gegen die angebliche Gefährdung der Souveränität des Landes durch die inzwischen vom Amt suspendierte Premierministerin Paetongtarn Shinawatra hatte vor zwei Wochen die Partei Bhumjaithai die Regierungskoalition verlassen. Im Wahlkampf 2023 hatte Bhumjaithai, dessen Vorsitzender damals Gesundheitsminister war, nur ein Thema: die Legalisierung von Cannabis.

Die Partei Pheu Thai von Paetongtarn hingegen war eher dagegen, wollte aber eine Koalition mit Bhumjaithai nicht an der Cannabis-Frage scheitern lassen. Dape sieht jetzt seinen Job in Gefahr. „Wir sehen schon jetzt, dass die Zahl der Kunden runtergeht. Die Chefin, die drei Läden hat, tut sich schon jetzt schwer, uns zu bezahlen.“

Ohne Job kann Dape sein Aufenthaltsrecht in Thailand verlieren. „In Myanmar besteht die Gefahr, dass ich zum Militärdienst eingezogen werde“, sagt er. Eine Rückkehr komme für ihn daher nicht in Frage. Doch in Thailand könnte dem jungen Mann bald das gleiche Schicksal wie Cannabis drohen: die Illegalität.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!