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Call A ReporterAuf ein letztes Aspirin

Die Apotheke am Checkpoint Charlie schließt, während gegenüber ein schickes Café eröffnet. Die südliche Friedrichstraße ist im Wandel.

Nochmal schnell auf einen Hustensaft vorbeischauen - nicht mehr in der südlichen Friedrichstraße. Bild: ap

Einige Kartons und Plastiksäcke auf nacktem Fliesenboden, daneben drei Zimmerpalmen von stattlicher Größe, die langsam verdorren, weil sie niemand mehr gießt: Das ist es auch schon, was von der Apotheke am Checkpoint Charlie übrig geblieben ist. Verlassene Räume in fahlem Licht. An der Tür klebt in dicken Lettern eine unmissverständliche Botschaft: „Wir sind weg für immer.“

Nach 25 Jahren musste die Apotheke dichtmachen. „Unsere Miete wurde drastisch erhöht, nachdem der Hauseigentümer gewechselt hat“, sagt die Apothekerin Margarethe von Wnuk. „Wir können uns den Standort nicht mehr leisten.“

In der südlichen Friedrichstraße reihen sich bislang bevorzugt Kleiderdiscounter an Spielcasinos, Eck-Imbissbuden bieten Sülze mit Bratkartoffeln für 3,80 Euro feil. Doch kürzlich hat hier mit dem „Westberlin“ ein Café eröffnet, das mit seinem glatten, minimalistischen Design einen neuen Akzent setzt in der bisherigen Eintönigkeit und auf einen Wandel der Gegend verweist.

Die Veränderung bekommt auch Margarethe von Wnuk zu spüren. „Zwölf Monate haben wir in der Nachbarschaft nach bezahlbaren Räumlichkeiten gesucht“, sagt sie. „Doch trotz des Leerstandes in unserem direkten Umfeld war wirklich nichts zu machen.“ Es klingt geradezu entschuldigend. Die Apothekerin erzählt dann auch von älteren Stammkunden, die mit Tränen auf die Schließung reagiert hätten, weil für sie etwas Wichtiges wegbreche: „Bei uns bekamen sie den Zuspruch, der ihnen in den Arztpraxen anscheinend fehlt“, sagt von Wnuk.

862 öffentliche Apotheken gibt es nach Angaben der Apothekerkammer derzeit in der Stadt, 15 wurden im vergangenen Jahr geschlossen. Die Kammer beobachtet eine klare Tendenz: Seit 2009 sinkt die Apothekenzahl bundesweit.

Die Wochenendausgabe

Am Samstag erscheint die zwölfseitige Berlin-Wochenendausgabe der taz. Sie bietet unter anderem ein aktuelles Schwerpunktthema, eine stark erweiterte Kulturberichterstattung, einen Wochenrückblick und das einstige Montagsinterview.

Diesen Samstag in der Wochenendausgabe:

- Der Blick in Berliner Gefängnisse: ein Schwerpunkt zum Strafvollzug in der Hauptstadt

- Zu Besuch bei dem Mann, der die Hintergrundmusik für Kaufhäuser und Fahrstühle zusammenstellt

- Ein Interview mit dem Komponisten Max Richter

In Berlin habe das nicht nur mit den steigenden Mieten zu tun, sagt Christian Belgardt, Präsident der Kammer, der selbst eine Apotheke im Wedding betreibt. „Der Aufschlag, den wir für den Verkauf von rezeptpflichtigen Arzneimitteln bekommen, hat sich in den letzten acht Jahren nicht verändert“, so Belgardt. Das sei ein Problem. Und nicht etwa, dass sich die Kunden ihren Hustensaft im Internet bestellen. Die von Konzernen hochgezogenen Netzapotheken würden das Geschäft der Kiezapotheken bislang nicht sonderlich beeinträchtigen. Viel stärker falle da ins Gewicht, wenn ansässige Ärzte aus der Nachbarschaft wegziehen. „Eine Apotheke ohne Ärzte in der Nähe hat ein Problem“, daran hat Belgardt keinen Zweifel.

Und so verschlechterte sich die Lage der Apotheke am Checkpoint Charlie noch zusätzlich, als vor kurzem eine benachbarte Arztpraxis die südliche Friedrichstraße verließ. „Ich habe eingesehen, dass sich eine Apotheke hier nicht mehr lohnt“, sagt von Wnuk. Ihre Mitarbeiter sind bereits anderswo untergekommen. Von Wnuk selbst nimmt sich erst mal eine Auszeit. „Der Kiez wird mir fehlen“, sagt sie zum Abschied.

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5 Kommentare

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  • P
    Piet

    Mein Mitgefühl

    für ApothekerInnen

    hält sich in sehr,

    sehr engen Grenzen.

     

    Und "erstmal eine Auszeit"

    kann frau sich auch nur

    dann genehmigen,

    wenn sie vorher

    ihre Schäfchen

    ins Trockene

    gebracht hat...

  • N
    Nichtapothekerin

    Hallo Herr Leuther,

     

    ich finde man sollte ihr Gehalt drastisch kürzen. Man braucht keine Apotheken, keine PTAs und auch deren Kinder sind egal. Man braucht auch Sie nicht und auch nicht (falls vorhanden)ihre Kinder. Man hat zu viele Leute, die sind wie Sie.

     

    Ich bin übrigends keine Apothekerin, aber mich nervt, dass man aus Sozialneid, immer anderen gerne etwas Schlechtes wünscht.

     

    Oft mag ich die USA nicht. Aber wenn man da pleite geht, klopfen einem die Leute auf die Schulter und wünschen einem aufrichtig das Beste.

     

    Hier gibt es viele Leute wie Sie, die niederträchtig anderen und ihren Familien schlechtes wünschen, aber falls die dann erfolgreich sind, gern Höchssteuern fordern. Meist Leute, die in warmen Stuben von Steuergeldern leben.

     

    Ekelhaft.

  • TL
    Tim Leuther

    Schon verwunderlich wie tränenrührend die taz über die Kundschaft der FDP schreibt.

  • TL
    Tim Leuther

    Es gibt in Deutschland sowieso viel zu viele Apotheken. Wenn paar schließen ist das nicht schlimm. Man sollte die Aufschläge die Apotheken nehmen senken, damit die Apothekendichte nicht jenseits von gut und böse zulasten der Kunden hoch ist.

  • WB
    Wolfgang Banse

    Geschäftsrisiko

    Jede und jeder der ein Geschäft beziehungsweise ein Betrieb eingeht,ist einem gewissen Risiko ausgesetzt,so auch was das Führen einer Apotheke anbelangt.Es gibt zuviele Apotheken an einem Standort.Berlin wird sich weiterhin verändern,auch was das Steigen der Mieten anbelangt.