: Café de nuit
3. Preis: Die Beute unterm Rock
von GABRIELLA WOLLENHAUPT
Seine Augen waren noch geschlossen, trotzdem spürte sie seine Blicke auf ihrer Haut. Sie flüsterte ihm ins Ohr: „Ich bin in der Küche, wenn du mich suchst.“ Sein winziges Lächeln bewies, dass er hellwach war. Ihr dünnes Seidenhemd konnte ihre Brüste kaum verhüllen. Natürlich blinzelte er.
Sie lachte auf, kehrte um und ging barfuß in die Küche, und bald kam er hinterher. Sie konnte nicht widerstehen, drückte sich an ihn und gab ihm einen Klaps auf den Po.
„Ich hole mal ein Paar Croissants“, kündigte er an. „Zieh dir aber was über“, riet sie ihm mit Blick zwischen seine Beine.
Der Kaffee war fast durchgelaufen. Sie zog ein enges, knallrotes T-Shirt über und sprang in einen schwarzen, langen Rock aus leichter Baumwolle. Den Slip ließ sie weg, weil der die nächsten Minuten wohl kaum überstehen würde.
Die letzte Nacht war ein einziges Wunder gewesen. Dein Körper ist wie ein kostbares Geschenk in meinen Händen, hatte er irgendwann im blauenden Morgen geflüstert, und sie hatte sich genau so gefühlt: kostbar.
Sie lief ins Bad und zog die Lippen nach. Ein bisschen Rouge auf die Wangen – sonst nichts. Er saß bereits wieder am Tisch, in Shorts und T-Shirt.
Sie goss den Kaffee ein, er reichte ihr ein Croissant. Mit den Fingern strich er langsam und zart an ihrem Unterarm entlang. Die Feinheit der Berührung erregte sie, und die Sensoren ihres Körpers schlugen an, meldeten eine Wärmekonzentration zwischen ihren Schenkeln.
Doch bevor sie einen genussvollen Wärmeabbau planen konnte, kam eine Stimme vom Balkon her. Jemand rief ihren Namen. Oh nein, dachte sie, nicht jetzt!
„Guten Morgen!“, rief sie zu dem Mann hinunter, dem Manager der Apartmentanlage.
„Ich habe Ihnen unser Clubprogramm vor die Tür gelegt“, teilte er mit. „Heute Nachmittag geht ein Ausflug nach Arles, in die Stadt von Vincent van Gogh. Sie kennen doch das berühmte Bild?“
Ihr „Ja“ blieb ihr im Halse stecken, denn der Mann war plötzlich hinter ihr und fasste unter ihren Rock. Ein leichtes Stöhnen kam über ihre Lippen, ihr Leib verspannte sich.
„Sie kennen das Bild nicht?“, fragte der Manager irritiert.
„Doch“, stammelte sie. „Das Café de nuit.“
„Genau! Die gelbe Markise mit den Stühlen davor.“
Der Mann wollte schon abdrehen, doch sie hatte plötzlich Lust, die Szene zu vertiefen. Sie wollte sie auskosten und so vorantreiben, dass es der hübschen Beute unter ihrem Rock viel Freude machen würde, auch wenn es ihr selbst jede Menge Haltung abverlangte.
„Können Sie noch mehr Ausflüge empfehlen?“, fragte sie.
Sie spürte, wie Finger ihre Schenkel auseinander schoben.
„Die Abbaye de Sénanque wird Ihnen gefallen“, plauderte der Verwalter. „Romanisches Kloster. Einsam gelegen. Inmitten von Lavendelfeldern.“
Sein Atem strich über ihre Oberschenkel.
„Ich bring Ihnen einen Prospekt!“
Sie schüttelte heftig den Kopf.
„Danke, nicht nötig. Ich habe einen Reiseführer.“
Ihre Schenkel waren weit geöffnet. Ihre Knie zitterten, als sie seinen Atem an ihrer zarten Stelle spürte.
„Fahren Sie aber nicht in der Mittagshitze“, riet der Manager, „die Sonne ist sehr stark und kann gefährlich werden.“
Der Mann unter dem Rock schlang jetzt beide Arme um ihren Leib, den Mund noch immer in ihrem Schoß. Ihr Körper wurde steif, zwischen ihren Beinen kündigte sich ein Orkan an.
„Ist Ihnen nicht gut?“, fragte der Manager besorgt.
„Es geht schon!“ Sie bemühte sich, die Augen offen zu halten. „Der Kreislauf, wissen Sie.“
Sie verschluckte die Wortendungen und artikulierte nicht mehr präzise.
„Legen Sie sich hin“, riet der Manager.
„Ja, ja“, murmelte sie. Schweißperlen standen auf ihrer Stirn.
„Schönen Tag dann noch!“ Der Manager winkte ihr freundlich zu. Der Kopf unter ihrem Rock ließ ein glucksendes Lachen hören. Seine Zunge tänzelte noch immer auf ihrem Fleisch.
Wenig später lagen sie Arm in Arm auf dem Balkonboden und konnten die Augen nicht voneinander lassen.
Fast hätten sie das Handy überhört. Sie hob den Kopf, schaute ihn fragend an. „Macht nichts“, sagte er.
Ihrem 20-jährigen Sohn sagte sie, dass sie gut angekommen sei.
Der Mann in ihrem Arm grinste fröhlich, knabberte dann an ihrem Hals und streichelte ihren Busen.
„Und jetzt brauch ich noch Papa“, bat der Sohn. „Ich komm mit der Textinterpretation nicht weiter.“
Sie reichte ihm das Handy und stand auf. In der Küche öffnete sie eine Flasche Côtes du Lubéron und kehrte mit zwei Gläsern auf den Balkon zurück.
Das Licht der Sonne tänzelte auf dem rosenfarbenen Wein.
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