: CSU will keine Stichwahlen
Bayerns Innenminister Beckstein will das Landeswahlrecht ändern – und seiner Partei zu mehr Bürgermeistern verhelfen. Freie Wähler kündigten schon Klage an
MÜNCHEN taz ■ Die Delegierten des bayerischen Landkreistages waren schwer erstaunt: Ganz nebenbei erläuterte der Gastredner, Bayerns Innenminister Günther Beckstein (CSU), dass er das Wahlrecht im Freistaat grundlegend ändern will. Schon bei der nächsten Kommunalwahl im Jahre 2008 sollen Bürgermeister und Landräte immer in einem Durchgang gewählt werden.
Bislang gilt in Bayern wie in fast allen Bundesländern: Wenn kein Kandidat sofort die absolute Mehrheit schafft, kommt es zu einer oder mehreren Stichwahl – bis die 50-Prozent-Hürde geschafft ist. Laut Beckstein sind diese Stichwahlen überflüssig, weil sie unter einer zu geringen Wahlbeteiligung leiden und zu hohe Kosten verursachen.
Diese Rechnung kann allerdings kaum jemand nachvollziehen. Laut Angaben des Statistischen Landesamtes gehen in den meisten Fällen zwischen 55 und 90 Prozent der Wahlberechtigten bei der Stichwahl zur Urne – wenn überhaupt, sinkt die Beteiligung bei Gemeindewahlen nur gering. Die Kosten belaufen sich bei Orten von unter 10.000 Einwohnern auf 10 Cent pro Wähler, ansonsten liegen sie meist unter 50 Cent.
Der Landesvorsitzende der Freien Wähler in Bayern, Armin Grein, hat bereits mit einer Verfassungsklage gedroht – denn er vermutet eine ganz andere Motivation bei Beckstein: „Wenn sich bei einer Bürgermeisterwahl mehr als zwei Kandidaten bewerben, dann bekommt nach bisherigen Erfahrungen im ersten Wahlgang fast immer der CSU-Kandidat die Mehrheit. In einer nachfolgenden Stichwahl allerdings gewinnt sehr oft der Kandidat einer anderen Partei oder Wählergruppe. Für die Freien Wähler wäre der Wegfall der Stichwahl nahezu tödlich.“
Während die Christsozialen Becksteins Pläne brav abgenickt haben, protestieren die anderen Parteien vehement. Die Grünen-Landesvorsitzenden Theresa Schopper und Sepp Daxenberger befürchten eine „Aushöhlung der demokratischen Grundrechte in Bayern“.
Tatsächlich ist die Stichwahl kein Ausnahmefall: Bei den jüngsten Kommunalwahlen im Jahr 2002 waren in 217 der 2.056 bayerischen Städte und Gemeinden mehrere Durchgänge nötig – wobei sich in 159 Fällen allerdings jener Kandidat durchsetzte, der bereits bei der ersten Abstimmung vorne lag. In den anderen Fällen hatten dagegen favorisierte CSU-Kandidaten oft das Nachsehen. Dazu kamen Stichwahlen in 7 von 71 Landkreisen.
Minister Beckstein will trotz des Widerstands und diverser Unmutsäußerungen aus den Kommunen an seinen Plänen festhalten. Kritiker kanzelte er kurzerhand ab: „Das Echo war zwar überwiegend negativ, allerdings nicht von viel Fachkenntnis getrübt.“ Einer möglichen Klage sieht er gelassen entgegen: „Die Direktwahl der Kandidaten für Land- und Bundestag verstößt ja auch nicht gegen die Verfassung.“ JÖRG SCHALLENBERG