CSU verunsichert: Seehofer auf Grantel-Kurs
Bei der Nominierung seiner Bundestagskandidaten versucht Parteichef Seehofer krampfhaft seine Partei stark zu reden. Dabei schmollt die CSU wieder wie im Desasterjahr 2008.
ERLANGEN taz Wer eine Ahnung von der Verunsicherung der CSU bekommen will, muss nur ein wenig Alexander Dobrindt bei der Arbeit zuschauen. Dobrindt ist seit einem Monat Generalsekretär. Er soll die Partei repräsentieren, ihre Politik kraftvoll verkaufen. An diesem Samstag steht er etwas verloren im Foyer, gleich neben der Glastür. Mit seiner linken Hand umklammert er verkrampft eine dicke, blaue Mappe, auf seiner rechten Schulter drückt die Hand von Parteichef Horst Seehofer. "Na, junger Mann, alles klar?", brummt Seehofer von oben herab. "Alexander, jetzt sag mal was." Der lächelt verlegen in die Journalistentraube, dann meint er: "Wir sind die modernste, offenste und frischeste Partei." So groß die Unsicherheit in der CSU auch derzeit sein mag: Zumindest die Worthülsen sitzen noch.
Als sich die CSUler am Samstag am Rande von Erlangen trafen, um ihre Kandidatenliste für die Bundestagswahl aufzustellen, sollte das eigentlich eine Demonstration der Stärke werden, eine erste mächtige Kampfansage in Richtung Berlin. Doch Bayerns ehemalige Staatspartei tut sich derzeit schwer wie nie. Die Umfragen haben sich seit dem
Landtagswahl-Desaster im Herbst kaum verbessert.
Im Juni droht bei der Europawahl das Scheitern an der Fünf-Prozent-Hürde. Die Basis grummelt über Seehofers Personalführung. In Berlin zerschellen CSU-Vorstöße reihenweise am Widerstand von SPD und CDU. Das alles wurde beim Vorstart in den Bundestagswahlkampf am Wochenende so gut ignoriert, wie es nur ging.
"Die Zeit der Analyse ist jetzt vorbei", ruft Horst Seehofer von der Bühne. "Wir haben viel erreicht in den vergangenen fünf Monaten." Und: "Lasst euch nicht irritieren von der Diskussion über die Fünf-Prozent-Hürde." Die Partei müsse nun ihre Energie in die
Auseinandersetzung mit den politischen Gegnern stecken, meint Seehofer. "Da kriegt man den Ruf, dass man grantelt. Aber das ist mir egal."
Seehofer findet: "Wir bestimmen die Themen in Berlin." Die CSU habe sich schließlich in den vergangenen Wochen für eine Senkung der Mehrwertsteuer eingesetzt, für geringere Diesel-Steuern für Bauern, gegen die Honorarreform bei den Ärzten und für die Vertriebenen- Präsidentin Erika Steinbach.
Doch was Seehofer nur am Rande erwähnt: Der Erfolg der bayerischen Keilereien in Berlin ist recht bescheiden. Erika Steinbach musste mangels Rückhalt in der Bundesregierung auf ihren Beiratsposten in der Vertriebenen-Stiftung verzichten. Bei der Honorarreform gibt es keine Bewegung. Die Bundesregierung lehnte es ab, die Bauern bei den Diesel-Steuern zu entlasten. Die Forderung nach einer Mehrwertsteuersenkung scheiterte am Widerstand von CDU und SPD.
So wie die SPD die geringere Mehrwertsteuer abgeblockt hätten, ginge das nicht, findet Seehofer. Das was die SPD derzeit betreibe sei "reine Pöbelei". Die Sozialdemokraten könnten gerne auch aus der großen Koalition aussteigen. Doch auch die große Schwesterpartei CDU hat den bayerischen Mehrwertsteuer-Vorstoß abgewürgt. Der Grantel-Kurs mit dem Seehofer seine Partei in den Bundestagswahlkampf schickt, erinnert
erschreckend an die wenig erfolgreiche Strategie der CSU aus dem vergangenen Jahr.
Damals hieß der CSU-Vorsitzende noch Erwin Huber und setzte im Wahlkampf ganz auf die bayerische Forderung, die alte Pendlerpauschale wieder einzuführen. In Berlin blitzte er bei Kanzlerin Angela Merkel ab. Die CSU schmollte und verlor ihre absolute Mehrheit.
Peter Ramsauer soll eine vergleichbare Klatsche auf Bundesebene verhindern. Die Delegierten wählten ihn zum Spitzenkandidaten. "Für mich wird es in meine langen politischen Karriere die schwerste Herausforderung", sagte Ramsauer nach der Wahl. So eine realistische Einschätzung hört man in der CSU derzeit nur selten.
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