CSU Parteitag in Nürnberg: "Logisch bin ich enttäuscht"
Verkehrsminister Ramsauer setzt sich gegen den Euro-Skeptiker Gauweiler durch, der das auf mangelnden Kontakt schiebt. Die CSU bekennt sich so aber auch zu mehr Europa.
NÜRNBERG taz | Es müssen einsame Minuten gewesen sein für Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU). Mit erstarrtem Gesicht saß er am Samstag beim CSU-Parteitag in Nürnberg in der ersten Reihe und wartete auf das Ergebnis der Abstimmung für die Posten des Parteivorstandes. Während seine Parteikollegen fröhlich Wiener Würstchen verdrückten, hatte vor seinem Platz die Presse Position bezogen, die keine seiner Regungen verpassen wollte, sollte er, der Bundesminister, tatsächlich gegen Peter Gauweiler, den alternden, euroskeptischen Parteirebellen, verlieren.
Gauweiler hatte Ramsauer in einer Kampfabstimmung um den Posten des Parteivizes herausgefordert. Bis zuletzt war nicht sicher, für welchen der beiden Kontrahenten die Delegierten stimmen würden: Für Ramsauer, der im Kabinett von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) das für Bayern und seine zahlreichen Infrastrukturvorhaben wichtige Verkehrsministerium besetzt? Oder für Gauweiler, der vielen CSU-Mitgliedern mit seinem euroskeptischen Kurs aus dem Herzen spricht?
Als Innenminister Joachim Hermann die Zahlen verkündet, ist die Entscheidung knapp: Ramsauer gewinnt mit 440 zu 419 Stimmen gegen Gauweiler. Ein Ergebnis, das Strauß-Tochter Monika Hohlmeier später ein "fast salomonisches" Ergebnis nennen wird. Mit dem Votum, das den Bundesminister nicht beschädigt und Gauweiler nicht beschämt, können die meisten CSU-Mitglieder im Saal leben.
Besonders der Vorsitzenden des größten CSU-Bezirks Oberbayern, Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU), war es zu verdanken, dass Ramsauer am Ende gewann. "Ich habe mich sehr für ihn engagiert", sagte Aigner zur taz. "Peter Ramsauer setzt sich sehr für Bayern ein und hat immer in toto für die Partei gekämpft."
"Wir bleiben eine Partei Europas."
Gauweilers Niederlage kann auch als Richtungsentscheidung der CSU gegen einen allzu Europa-skeptischen Kurs verstanden werden. Bereits am Freitag hatten zahlreiche Redner, unter ihnen die CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt, der Europa-Parlamentarier Markus Ferber, aber auch der frühere Parteichef und Finanzminister Theo Waigel die Bedeutung Europas für Deutschland und Bayern beschworen. "Das Koordinatensystem der CSU wird sich nicht verändern", sagte auch Horst Seehofer in seiner Rede am Freitag. "Wir bleiben eine Partei Europas."
Gauweiler indes schien schwer getroffen von seiner Niederlage. "Logisch bin ich enttäuscht", sagte er nach der Abstimmung. Er schob seine Niederlage auf die Stimmungsmache in der Parteispitze. "Ich bin nicht so in der Führungsetage etabliert", sagte Gauweiler, der seit 2002 als Parlamentarier im Bundestag sitzt. "Das hat mir natürlich nicht genützt."
Weniger spektakulär verlief die Wahl zum CSU-Parteivorsitzenden. Horst Seehofer wurde in seinem Amt mit dem solidem Ergebnis von 89, 1 Prozent bestätigt. Der CSU und ihrem Parteichef stehen in den kommenden zwei Jahren schwere Zeiten bevor. Umfragen zufolge könnte die SPD mit ihrem Spitzenkandidaten Christian Ude in einer Koalition mit Grünen und Freien Wählern die Landtagswahl für sich entscheiden. Zwei Stunden lang warb Seehofer am Samstag in seiner Grundsatzrede deshalb für sich und seine Politik. "Bayern steht so gut da wie noch nie zuvor in seiner Geschichte", sagte der Ministerpräsident. "Wir brauchen uns, liebe Freunde, vor niemandem zu fürchten", rief er.
Trotz dessen Niederlage will Seehofer den Euro-Skeptiker Gauweiler künftig stärker einbinden. "Ich werde mich bemühen, dass Peter Gauweiler uns vielleicht in anderer Funktion für die Arbeit in der CSU zur Verfügung steht", sagte Seehofer. Gauweiler selbst wollte davon nichts wissen. "Das würde ich nicht wollen", brummte er verschnupft.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste