CSU-Kritik an Angela Merkel: Dobrindt fordert andere Asylpolitik
Bundesverkehrsminister Dobrindt (CSU) verlangt von Angela Merkel einen Plan B für Grenzschließungen. Die SPD fordert die Offenhaltung der Grenzen.
Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) forderte die Kanzlerin auf, das Grundgesetz wieder strikt anzuwenden und Flüchtlinge an der deutsch-österreichischen Grenze zurückzuweisen. „Wir müssen zur Verfassungstreue zurückfinden. Das bedeutet, dass der überwiegende Teil der Flüchtlinge, der jetzt an der deutsch-österreichischen Grenze zu uns kommt, nicht nach Deutschland gelassen werden darf. Das ist geltendes Recht“, sagte er der Magdeburger Volksstimme.
Die Flüchtlingsbeauftragte der Bundesregierung und stellvertretende SPD-Vorsitzende, Aydan Özoguz, warnte dagegen davor, die Grenzen in Europa wieder dicht zu machen. „Kaum ein Land profitiert so stark vom freien Warenverkehr in Europa wie wir, die Nachteile wären immens“, sagte sie der Passauer Neuen Presse. „Die Forderung nach der Wiedereinführung von Schlagbäumen in Europa ist daher nicht nur leichtsinnig, sie ist brandgefährlich.“
Dobrindt warf der EU vor, Deutschland mit dem Flüchtlingsproblem alleinzulassen. „Wer von einer Koalition der Willigen redet zur Bewältigung dieser Krise, muss auch die Realität benennen: Es gibt bei dem Thema längst einen Pakt der Unwilligen gegen uns.“ Man brauche eine schnelle Veränderung der Situation – „im Wissen, dass das Auswirkungen auch auf das Ansehen Deutschlands in Europa haben kann“, sagte Dobrindt. „Es reicht jetzt aber nicht mehr aus, der Welt ein freundliches Gesicht zu zeigen.“
50 Unterschriften für Kurswechsel
Der richtige Kurs in der Flüchtlingspolitik bleibt aber in der Unionsfraktion umstritten. Kritiker und Unterstützer der Linie Merkels liefern sich mit gegensätzlichen Briefen einen Schlagabtausch. Etwa 50 der 310 Abgeordneten von CDU und CSU schlossen sich bis Montagabend nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur in Berlin einer Unterschriftenaktion gegen den Kurs Merkels an. Der CDU-Abgeordnete Martin Patzelt sagte der dpa, er habe auf seinen Unterstützungsbrief für Merkel von gut 40 Kollegen positive Rückmeldungen erhalten.
Aus Kreisen der Initiatoren des Briefes mit Kritik am Kurs der Kanzlerin hieß es, die Unterschriftenwerbung sei eher schleppend verlaufen. Viele Abgeordnete hätten trotz der Transparenz der Aktion möglicherweise darauf gewartet, dass ihnen der Brief persönlich vorgelegt werde. Verwunderung wurde dort über die Zurückhaltung der CSU-Abgeordneten geäußert. Andere Merkel-Kritiker sprachen dagegen von einem Riesenerfolg. Wichtige CSU-Bundestagsabgeordnete wie der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Stephan Mayer, Fraktionsjustiziar Hans-Peter Uhl und der Vorsitzende der CSU-Mittelständler, Hans Michelbach, hätten unterzeichnet.
Die Initiatoren der Aktion gegen Merkels Flüchtlingskurs hatten ihren Vorstoß vergangene Woche entschärft. Sie wollten zunächst in der Fraktion über einen Antrag abstimmen lassen, der auf ein Zurückweisen von Flüchtlingen an der Grenze abzielte. Nun heißt es in dem der dpa vorliegenden Schreiben: „Wir stehen vor einer Überforderung unseres Landes. Deshalb halten wir eine Änderung der derzeitigen Zuwanderungspraxis (...) durch die Rückkehr zur strikten Anwendung des geltenden Rechts für dringend geboten.“
Zur Integration der Flüchtlinge will Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) mit einem neuen Zehn-Millionen-Euro-Programm unter dem Motto „Menschen stärken Menschen“ Paten, Vormünder und Gastfamilien für Asylbewerber gewinnen. „Integration ist mehr als der Gang zum Sprachkurs oder Arbeitsamt“, sagte sie der Passauer Neuen Presse.
De Maizière warnt SPD
Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) hat den Koalitionspartner SPD vor „Schwarzer-Peter-Spielchen“ beim Asylpaket II gewarnt. „Es gibt einen klaren Beschluss der Parteivorsitzenden. Der gilt“, sagte er der Rheinischen Post. „Ich arbeite daran, dass es zeitnah zu einer Einigung kommt, und warne vor Schwarzer-Peter-Spielchen.“ Man habe gemeinsam eine große Verantwortung für Deutschland. „Daran sollten sich alle erinnern – auch die, die gelegentlich öffentlich Vorwürfe hin- und herschieben.“
De Maizière forderte in der Zeitung auch, es müsse alles dafür getan werden, um mehr Rückführungen in die nordafrikanischen Länder Marokko, Algerien und Tunesien zu ermöglichen. „In einem ersten Schritt habe ich das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge angewiesen, Anträge von Menschen aus diesen Ländern prioritär zu prüfen, um hier noch schneller zu Ergebnissen zu kommen“, sagte er. Und: „Ich bin entschieden dafür, Algerien, Marokko und Tunesien zu sicheren Herkunftsstaaten zu erklären.“
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