CO2-Verpressung in den Nordländern: Produzenten und Müllschlucker

Nord gegen Süd: Wenn der Bundesrat heute das Gesetz zur CO2-Verpressung verhandelt, gelten die regionalen Interessen mehr als die übliche Parteienlogik.

Umstrittene Technologie: Protestschild gegen ein geplantes CO2-Lager bei Hattstedt, Schleswig-Holstein. Bild: dpa

HANNOVER/KIEL taz | Mahnfeuer an den Küsten, Demos und Proteste: In Niedersachsen und Schleswig-Holstein haben die Gegner der unterirdischen Speicherung von CO2 noch einmal Druck gemacht, bevor in Berlin am heutigen Freitag der Bundesrat über das Gesetz zur Erprobung des sogenannten "Carbon capture and storage" (CCS) entscheidet. Es geht um die wissenschaftlich-technische Frage, ob in Deutschland das Klimagas Kohlendioxid im Untergrund verpresst werden soll. Und um einen Streit, in dem die übliche Parteienlogik aufgehoben zu sein scheint: Es zeichnet sich ab, dass das Gesetz, das den Bundestag passiert hat, im Bundesrat keine Mehrheit findet.

In der CCS-Frage stehen Abgas-Produzenten gegen potentielle Müllschlucker - Süd gegen Nord. Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Brandenburg sind geologisch geeignet, allein Niedersachsen beherbergt 80 Standorte. Während in Brandenburg bereits eine Versuchsanlage arbeitet, wuchs der Protest in den westdeutschen Küstenländern so schnell, dass sich die schwarz-gelben Landesregierungen dem Druck beugten. Der Kompromiss: eine Klausel, der zufolge Länder ihr Veto gegen die Speicher einlegen können. Das ist zwar juristisch vage, doch die Landesregierungen in Hannover und Kiel sind überzeugt, dass die Länderklausel ausreicht.

So wollen nun ausgerechnet die Länder, die kein CO2 lagern wollen, dem Speicherverfahren zustimmen: "Wer das CCS-Gesetz ablehnt, setzt die Länderklausel aufs Spiel", sagte die nordfriesische CDU-Landtagsabgeordnete Astrid Damerow. Der Kieler Staatssekretär Heinz Maurus (CDU) befürchtet, ohne Gesetz könnten Konzerne das Recht bekommen, Standorte auf Tauglichkeit zu untersuchen. Auch Niedersachsens Ministerpräsident David McAllister (CDU) hält die Zustimmung zum Gesetz plus Länderveto für einen "guten Kompromiss".

Schwer tut sich hier wie dort die Opposition - bis auf den SSW, der als Minderheitenvertretung im Kieler Landtag von Anfang an gegen CCS steuerte. Inzwischen sind auch die Grünen einhellig beim Nein angelangt. Ihr niedersächsischer Fraktionschef Stefan Wenzel erklärte am Donnerstag: "Die Zeit der Gefälligkeiten zu Gunsten von Konzernen ist abgelaufen."

Den SPD-Landesverbänden kommt Frank-Walter Steinmeier, Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion, in die Quere: "Wir werden aus der Geschichte nicht gänzlich aussteigen können", sagte er der Märkischen Oderzeitung. Käme es jetzt zu keiner Einigung, "wird CCS zu einem Thema für die nächste Bundesregierung". Was der Kieler FDP-Abgeordnete Oliver Kumbartzky so interpretierte: Die SPD-Spitze gehe nicht auf die Ängste der Bevölkerung ein - "erschreckend", so Kumbartzky.

In Brandenburg läuft die Debatte inzwischen übrigens in die gegenteilige Richtung: Das CCS-Vorreiterland wird vermutlich gegen das Gesetz stimmen. "Entweder, die Speicherung wird als sicher und zukunftsfähig für ganz Deutschland anerkannt, oder sie findet vorerst nirgends statt", sagte der Potsdamer Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD). Vattenfall droht laut Medienberichten jetzt damit, ein geplantes Braunkohlekraftwerk doch nicht zu bauen.

Experten sehen die Zukunft von CCS ohnehin auf See. Zwar nennt Niedersachsens Wirtschaftsminister Jörg Bode (FDP) die unterseeische Kohlendioxid-Verpressung "Zukunftsmusik". Gefragt werden die Bundesländer dazu aber sowieso nicht: Ihr Einfluss endet an der Zwölf-Meilen-Grenze.

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