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CO2-Handel zeigt inzwischen Zähne

Seit 20 Jahren gibt es in der EU einen CO2-Preis. Lange war er zu niedrig, um Wirkung zu entfalten

Von Jonas Waack

Seit der Einführung des EU-Emissionshandels für die Energiewirtschaft und die Industrie sind die CO2-Emissionen in diesen Sektoren um mehr als die Hälfte gesunken, in Deutschland um 47 Prozent. Das teilte die Deutsche Emissionshandelsstelle im Umweltbundesamt (UBA) am Mittwoch mit. „Der Emissionshandel hat sich seit seiner Einführung Schritt für Schritt zum zentralen Klimaschutzinstrument in Deutschland und Europa entwickelt“, sagte UBA-Präsident Dirk Messner.

Der Emissionshandel wurde 2005 eingeführt. Seitdem müssen Stromerzeuger und – mit Ausnahmen – die Industrie für jede ausgestoßene Tonne CO2 ein Zertifikat kaufen. Deren Preis ergibt sich aus dem Angebot an Zertifikaten, das die EU festlegt, und der Nachfrage, die sich aus dem CO2-Ausstoß der betroffenen Unternehmen ergibt. Aktuell liegt der Preis einer Tonne CO2 bei etwa 70 Euro, seit Juli 2024 schwankte er zwischen 60 und 85 Euro.

„Bis 2021 war der Preis viel zu niedrig, als dass er eine Wirkung erzielen konnte“, sagt Claudia Kemfert, Energieökonomin am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung. „Der bemerkenswerte Preisanstieg zeigt, dass die Reformen des Emissionshandels Vertrauen in den Markt zurückgebracht haben.“ Die Emissionsreduktion im Energiesektor sei „im Konzert mit anderen Maßnahmen zum Großteil durch den Emissionshandel gelungen“, sagt sie.

Zwar wirkten sich auch die Förderung erneuerbarer Energien und etwa die Vereinbarung zum Kohleausstieg in Deutschland aus. „Aber auch in Ländern, die das Ende der Kohleverstromung nicht gesetzlich festgelegt haben, werden Kohlekraftwerke ab etwa 60 Euro CO2-Preis unwirtschaftlich, die gehen nicht nur politisch veranlasst vom Netz“, sagt Kemfert. Deutschland hat seine Emissionen im Energiesektor seit 2005 um 54 Prozent gesenkt.

In der Industrie, die ebenfalls Teil des Emissionshandels ist, sind es dagegen nur 29 Prozent weniger CO2. Die Unternehmen in diesem Sektor haben erfolgreich dafür lobbyiert, viele Zertifikate kostenlos zu erhalten. Sie argumentierten, dass sie andernfalls in der Konkurrenz mit außereuropäischen Firmen ins Hintertreffen gerieten, die keinen CO2-Preis zahlen müssen.

„Wir plädieren schon immer dafür, ­Zertifikate nicht kostenlos zu verteilen“, sagt Kemfert. Für Unternehmen wie den Stahl­hersteller ArcelorMittal, der kürzlich das Ende mehrerer grüner Stahlprojekte in Deutschland ­angekündigt hatte, rechneten sich Klimaschutz­anstrengungen umso mehr, je höher der CO2-Preis ist.

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