CDU in Baden-Württemberg: Kretschmanns Herausforderer
In Baden-Württemberg lässt die CDU darüber abstimmen, wer Spitzenkandidat bei der Landtagswahl 2016 sein soll: Thomas Strobl oder Guido Wolf?
STUTTGART taz | Franz Jehle aus Salem am Bodensee ist im November über 1.000 Kilometer durch Baden-Württemberg gefahren, um das parteiinterne Ringen seiner CDU zu verfolgen. Nach Sinsheim und Göppingen, Biberach und Appenweier. Oft war es weit nach Mitternacht, wenn er wieder zu Hause am Bodensee ankam.
Die Kontrahenten Thomas Strobl und Guido Wolf haben sich ihrer Parteibasis bei Regionalkonferenzen quer durchs Land als Nachfolger des grünen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann angedient. „Das wird eine knappe Sache“, sagt Franz Jehle.
Im Frühjahr 2016 wählen die Baden-Württemberger einen neuen Landtag und ihre Zukunft: weiterhin Grün-Rot oder lieber wieder Schwarz? Die CDU lässt in Baden-Württemberg ihre rund 69.000 Mitglieder darüber entscheiden, wer als Spitzenkandidat für die Rückkehr zu schwarzen Zeiten im Ländle werben soll. Am Freitag wird das Ergebnis bekannt gegeben.
Thomas Strobl, einer von Angela Merkels Stellvertretern in der Partei, Bundestagsabgeordneter und Heilbronner Stadtrat. Gebürtig aus Heilbronn, verheiratet, 54 Jahre alt. Er steht gleichermaßen für die CDU vor ihrem schicksalshaften Einbruch 2011 und für die runderneuerte CDU danach. Er war 2011 in der Krise der Partei zum Landesvorsitzenden gewählt worden, obwohl er zuvor ein enger Vertrauter des einstigen Ministerpräsidenten und Wahlverlierers Stefan Mappus war.
Im Wettbewerb um die Mitgliederstimmen könnte ihm sein Berlin-Bonus ein Vorteil sein, man kennt ihn aus der „Tagesschau“. Bei seinen Reden stellt er auch mal nonchalant den Lackschuh auf die Spitze. Er spricht freier als sein Kontrahent, vergaloppiert sich aber inhaltlich manchmal („Heiraten Sie! Es ist großartig“).
„Klatschet net so viel“
Guido Wolf, Landtagspräsident in Baden-Württemberg. Gebürtig aus Weingarten, verheiratet, 53 Jahre alt. Er steht für das enge Band der CDU in die Provinz, war Richter in Sigmaringen, Erster Bürgermeister in Nürtingen, Landrat in Tuttlingen, ab 2006 Landtagsabgeordneter und seit 2011 Landtagspräsident. Die Parteimitglieder kennen ihn eher aus der „Landesschau“, viel wahrscheinlicher noch von einem Bierzeltauftritt irgendwo im Ländle. Wolf ist Hobbydichter und Frohnatur. Sein Kampagnen-Logo ist – Vorsicht, Namenswitz! – ein Wolfskopf. Mit dickrandiger Brille, wie der Kandidat sie trägt. In seinen Reden wechselt er mal ins Schwäbische („Klatschet net so viel, des goht von meiner Redezeit ab“).
Bis zum vergangenen Donnerstag hatten 43 Prozent der CDUler ihre Wahlunterlagen zurückgeschickt. Eine Umfrage von SWR und Stuttgarter Zeitung sah vor drei Wochen Strobl deutlich vorn mit 39 zu 24 Prozent – allerdings waren dafür nicht nur CDU-Mitglieder befragt worden. Und es war noch vor den Regionalkonferenzen.
Dort stellten sich beide Kandidaten mit halbstündigen Reden vor. Inhaltlich hat Wolf mit seinen „12 Leitzielen für ein besseres Baden-Württemberg“ schon etwas mehr Kontur als Strobl, der vier Felder beackert, in denen die grün-rote Landesregierung seiner Ansicht nach schlechte Arbeit leiste (Haushalt, innere Sicherheit, Bildung, Entwicklung des ländlichen Raums). Baden-Württemberg müsse wieder werden, was es unter der CDU gewesen sei: „Ein Musterländle.“ Wie genau er das anstellen will, sagt Strobl nicht.
Unternehmergeist schaffen
Die Themen, die sie auftischen, sind altbacken. Zur Energiepolitik äußern sie sich erst auf Nachfrage aus dem Publikum. Sie reden von Familie, sagen aber nicht, was sie darunter verstehen. Auf Anfrage sagt Wolfs Sprecherin, „Leben und leben lassen“ gelte für ihren Kandidaten. Auch Strobl habe ein sehr offenes Familienbild, sagt dessen Sprecher. Den per se konservativen Themen schaden sie beide selbst, indem sie unangemessen polemisieren. Strobl sagt zur inneren Sicherheit: „In Deutschland macht nicht der Prophet Gesetze, sondern das Parlament.“ Und Wolf will „Unternehmergeist an Schulen schaffen, Wirtschaft einführen, nicht sexuelle Vielfalt“.
Zum ersten Mal seit gut 60 Jahren muss die CDU Baden-Württemberg Wahlkampf aus der Opposition heraus machen. Wolf erwartet „den schwersten Kampf seit Langem. Ein Spaziergang wird’s nicht“. Mit erreichten Zielen in der Regierungszeit kann man nicht prahlen. Nun, womit dann? Bildungspolitik wolle er zum Wahlkampfthema machen, sagt Strobl. Auf diese Idee dürfte auch Grün-Rot kommen, das mit Andreas Stoch (SPD) einen starken Minister auf diesem Feld hat.
Von einer inhaltlichen Neuaufstellung der Union mit eigenen und wirklich neuen Ideen ist bislang nicht viel zu sehen. Das Strampeln gegen die Vergangenheit raubt Energie. Die Partei hegt die Befürchtung, dass der politische Gegner die CDU von 2010 und 2011 aus der Kiste kramt, die Mappus-Ära mit missglücktem EnBW-Rückkauf und gewaltsamem Schlossgarteneinsatz. „Man hat Fehler gemacht in der Vergangenheit“, sagt Wolf. Ein Seitenhieb auf den einstigen Mappus-Mann Strobl. Nach der Wahlniederlage war auch Strobl zum Rücktritt aufgefordert worden. Er ist geblieben und verleugnet seine Beteiligung heute nahezu: „Ich höre immer wieder: Die CDU 2014 ist ganz anders als 2011. Das halte ich für ein großes Kompliment.“
70 Prozent zufrieden mit Kretschmann
Was die beiden Kontrahenten eint: das Feindbild Kretschmann. Es scheint gar nicht um eine Parteienwahl zu gehen. „Wie gewinnen wir gegen Winfried Kretschmann?“, fragt Strobl zu Beginn seiner Reden. „Nicht Worte – Taten, Herr Kretschmann!“, ruft er immer wieder in den Saal. Dass der Name Kretschmann der meistgenannte des Abends gewesen sei, kritisierte ein Mitglied bei der ersten Konferenz in Sinsheim. Im Staatsministerium Stuttgart schaut man bislang noch gelassen auf die Situation. Solange die CDU keinen Kandidaten gefunden hat, sehe man keinen Handlungsbedarf, sich dazu irgendwie zu positionieren, heißt es.
Kretschmann hat mit Zufriedenheitswerten von 70 Prozent laut Infratest dimap sicher auch CDU-Leute auf seiner Seite. Wie die Basis entscheiden wird, gilt auch in Parteikreisen noch nicht als ausgemacht. Im Süden des Landes, wo Wolf beheimatet ist, erhält er mehr Applaus, im Norden ist es Strobl. Hinter ihm werden die mitgliederstärkeren Regionen vermutet, was am Ende entscheidend sein könnte.
Und was machen die beiden Kandidaten, wenn es für sie nicht klappt? „Ich will ein politischer Landtagspräsident sein und bleiben“, sagt Wolf. Strobl drückt sich um die Antwort. „Du musst dich in so einem Kampf in Autosuggestion versetzen!“ Sprich: sich selber einreden, dass es schon klappen wird. Falls nicht, dürfte für Strobl der Schaden größer sein. Wie sollte einer, den sein eigener Landesverband nicht für tauglich hält, Ministerpräsident zu werden, große Sprünge in Berlin machen? Auch sein Landesvorsitz dürfte dann zur Disposition stehen. „Ich liefere mich gerne aus“, sagt Strobl. Er habe versprochen, dass die Basis entscheide. „Jetzt machen wir es auch so. Das Hinterzimmer ist abgeschafft.“
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