CDU im Wahlkampf: Henkel macht den Müllmann
Der designierte CDU-Spitzenkandidat inszeniert sich als glamourfreier, bodenständiger Praktiker, der anpackt und aufräumt. Seine Themen: Bildung, Arbeitsplätze, Sicherheit sowie Integration. Trotzdem sind die Grünen sein Wunschpartner.
Er sprach von Dreck, von Problemen. Er redete vom Kümmern und immer wieder vom Aufräumen. Wer die Augen schloss, sah Frank Henkel nicht in Anzug und Krawatte, sondern im orangefarbigen Dress der BSR-Straßenreiniger. Bei seinem ersten Auftritt als designierter CDU-Spitzenkandidat für die Abgeordnetenhauswahl hat sich der 47-Jährige als glamourfreies, anpackendes Gegenstück zum Regierenden Klaus Wowereit (SPD) inszeniert. Renate Künast, Spitzenfrau der Grünen, tauchte lediglich als "grüne Konkurrentin" und "selbsterklärte Hoffnungsträgerin" auf. Dennoch sieht Henkel mehr Nähe zu ihrer Partei als zur SPD.
Es ist der Neujahrsempfang der Spandauer CDU am Montagabend, den Henkel für seine erste Kandidatenrede nutzt. Wenige Stunden zuvor hat ihn das siebenköpfige Präsidium der Berliner Union als Spitzenkandidat ausgerufen, offiziell gewählt wird er beim Parteitag am 12. Februar. Henkel ist nicht zum ersten Mal bei den Spandauern. Aber es erscheint auch nicht als Zufall, dass er hier spricht, weit weg vom Stadtzentrum, in einem rustikalen Tonnengewölbe der Spandauer Zitadelle.
Henkel, dessen Bodenhaftung oft als provinziell gedeutet wird, will bewusst nicht versuchen, was er nicht kann: den Ersatz-Wowereit geben, den zwar in Lichtenrade aufgewachsenen, aber das schicke Berlin-Mitte verkörpernden Strahlemann. Seine Botschaft: Ich bin bei den Leuten, nicht abgeschottet im Politbetrieb. Ich spreche vor unverputztem Sandstein und nicht wie die Grüne Künast bei ihrer Rede im Scheinwerferlicht des Museums für Kommunikation in Mitte. Immer wieder attackiert er Wowereit, der sich für Henkel wechselweise wegduckt, versteckt, nicht zeigt: Berlin brauche "keinen Regierenden Bürgermeister, der nur im Wahlkampf gut ist".
In dieser Rolle muss Henkel nicht rhetorisch glänzen, in ihr kann er mit dickem Pathos davon reden, dass er "mit Demut und Respekt" an die Kandidatur herangegangen sei. Oder dass er aus Zuwanderern "treue deutsche Staatsbürger" machen will. Henkel will sichtlich nicht die Intellektuellen beeindrucken, sondern dem kleinen Mann vermitteln: Ich bin bei euch.
Das erinnert stark an einen Mann, an den die CDU wegen des Bankenskandals von 2001 nicht mehr gern denkt, der aber wegen seines zu Ende gehenden Gerichtsverfahrens ausgerechnet am Montag wieder in den Schlagzeilen war: Klaus-Rüdiger Landowsky, Henkels Vor-Vor-Vor-Vorgänger als CDU-Fraktionschef, der gern den Arbeiterführer gab. Über 40 Prozent hatte die Union zu seiner Zeit - heute sind es halb so viel.
Vier Themen stellt Henkel in den Mittelpunkt: Bildung, Arbeitsplätze, Sicherheit, Integration. Aufräumen will er nicht nur in den Parks. Aufräumen will er auch in den Schulen, räumlich und inhaltlich, und bei der Kriminalität. Weniger Toleranz will er gegenüber arabischen Großfamilien üben, die er nahe bei Raub und Sozialbetrug sieht - "wir dürfen uns nicht von diesen Leuten an der Nase herumführen lassen". Mehr Polizei soll her, und zwar ohne Kennzeichnungspflicht - für Henkel ist dies "Unfug, der unsere Polizisten und Angehörigen gefährdet".
Und so taucht neben der Erinnerung an Landowsky eine zweite Parallele auf: die zu Rudolph Giuliani, der als republikanischer Bürgermeister von New York zwischen 1995 und 2001 seine Stadt sicherer machte, um den Preis einer harten Null-Toleranz-Strategie. "Ich will den liberalen Geist der Stadt bewahren", sagt Henkel in Spandau, "aber ich will da aufräumen, wo es nicht funktioniert."
Derzeit liegt die CDU mit 20 Prozent deutlich hinter der SPD und auch weit hinter den Grünen, obwohl die von zwischenzeitlich 30 auf 25 Prozent abgerutscht sind. Trotzdem ist für Henkel "das Rennen um das Rote Rathaus völlig offen". Überraschenderweise ernannte Henkel die Grünen am Morgen nach seiner Rede in einem Radio-Interview zu seinem Lieblingskoalitionspartner. "Wenn man die verschiedenen Politikfelder durchdekliniert, so Henkel, "dann gibt es eher mit den Grünen Übereinstimmungen als mit der SPD." Die Grünen selbst sagten dazu am Dienstag - nichts.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Künftige US-Regierung
Donald Trumps Gruselkabinett
Housing First-Bilanz in Bremen
Auch wer spuckt, darf wohnen
Scholz stellt Vertrauensfrage
Traut mir nicht
Wahlprogramm der Union
Scharfe Asylpolitik und Steuersenkungen