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CDU debattiert über MindestlöhneMinischritte gegen "Niedrigstlöhne"

Auch die CDU will sich einer allgemeinen Lohnuntergrenze nicht mehr verschließen. Aber die Partei ist sich uneins über den Weg dorthin.

Ein Mindestlohn würde weiterhelfen: Viele Friseure müssen ihr Einkommen aufstocken. Bild: dpa

BERLIN taz | Die CDU trippelt in Minischritten auf einen allgemeinen Mindestlohn zu. Allerdings liegen die Vorstellungen, wie man diesen umsetzen soll, in der Partei noch deutlich auseinander.

Den Aufschlag machte schon vor Monaten der christliche Arbeitnehmerflügel der Partei, organisiert in der CDA. Die CDA will Mitte November den CDU-Parteitag über einen Antrag abstimmen lassen, der vorsieht, eine allgemeine Lohnuntergrenze einzuführen.

So will sie "Niedrigstlöhne" verhindern, die in immer mehr "tarifvertragsfreien Zonen" entstünden, schreibt die CDA. Die Lohnhöhe solle sich "am Mindestlohn in der Zeitarbeit" orientieren, denn Zeitarbeit komme "branchenübergreifend" vor, sei darum ein "guter Maßstab". In der Leiharbeit sind ab dem 1. November 7,01 Euro Stundenlohn (Ost) und 7,89 Euro (West) vorgesehen.

Doch dann zog am 12. Oktober die NRW-CDU, der mitgliederstärkste Landesverband der Partei, mit einem eigenen Antrag nach. Darin heißt es: "Die CDU hält es für notwendig, eine allgemein verbindliche Lohnuntergrenze in den Bereichen einzuführen, in denen ein tarifvertraglich festgelegter Lohn nicht existiert. Die Lohnuntergrenze wird durch eine Kommission der Tarifpartner festgelegt, die Höhe soll sich am Tarifabschluss für Zeitarbeitnehmer orientieren."

Doch während die CDA auf den Weg über eine Tarifkommission verzichten will, stellt die CDU-NRW explizit fest: "Wir wollen eine durch die Tarifpartner bestimmte und damit marktwirtschaftlich organisierte Lohnuntergrenze und keinen politischen Mindestlohn."

"Alles unter 8,50 reicht nicht"

Das jedoch wäre weitgehend alter Wein in neuen Schläuchen: Denn bereits heute können Tarifparteien über das Arbeitnehmerentsendegesetz oder das Mindestarbeitsbedingungengesetz Mindestlöhne für einzelne Branchen erwirken. Sind sie sich einig, kann das Bundesarbeitsministerium die Lohnuntergrenze per Rechtsverordnung erlassen. Doch eben weil die Tarifpartner häufig keinen Konsens erzielen, bleiben Mindestlöhne auf der Strecke.

Thorsten Schulten, Arbeits- und Tarifpolitikexperte der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung, hält den NRW-Vorschlag deswegen für "nicht richtig durchdacht". "Es spricht nichts dagegen, die Tarifpartner in die Mindestlohn-Findung einzubeziehen.

Aber letztlich bleibt die Verantwortung bei der Politik. Diesen Schritt will die Politik nicht gehen", sagte Schulten. Er kritisiert auch die vorgesehene Höhe: "Alles unter 8,50 Euro reicht nicht." Erst ab dieser Grenze habe ein alleinverdienender Vollzeitbeschäftigter keinen Anspruch mehr auf staatliche Unterstützungsleistungen.

In der CDA bemüht man sich derweil um Zuversicht. Ralf Brauksiepe, stellvertretender CDA-Vorsitzender aus NRW, betonte, die CDA habe sich "manche Formulierung im CDU-Beschluss anders gewünscht". Dennoch sei die Position der NRW-CDU "ein wichtiges Signal in der Debatte um Mindestlöhne". Den Rest müsse man jetzt auf dem Parteitag klären, heißt es aus der CDA.

Ganz anders wertete Hartmut Schauerte, Vorsitzender der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung der NRW-CDU, den Beschluss des eigenen Landesverbandes: "Die Mittelstandsvereinigung hat die weitgehenden Mindestlohnforderungen der CDU-Arbeitnehmerschaft aushebeln können", freute sich Schauerte.

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8 Kommentare

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  • M
    magy

    Es tendiert immer mehr dahin nur noch Zeitverträge zu machen für ein Jahr Dank unserer Politiker als man den Kündigungsschutz zugunsten der Arbeitgeber erheblich lockerte. Was auch dazu führte, das man langjährige Mitarbeiter entsorgte um sie durch billige (Zeit)Arbeitskräfte mit Niedrigstlöhnen ersetzte.

    Dann kam die Zeitarbeitsfirmen, die gut an Betrieben verdienen aber ihren vermittelten Arbeitern sehr wenig Stundenlöhne zu zahlen scheinen. Gehälter zum Leben zu wenig.

    Jetzt hat man die Situation, das die Gehälter so niedrig sind, das keiner mehr davon leben kann. Beispiel Angestellte arbeiten täglich 12 Stunden ( 60 Std. die Woche), also im Monat bis zu 250 Stunden und bekommen nicht mal 1.000 € netto. In diesem Gehalt ist sogar Feiertagsarbeit oder Wochenendarbeit beinhaltet. Wer soll davon leben können, bei den überhöhten Mieten, Strom usw.

    Da denken (denken ist Glücksache) Politiker, denen ihre Bürger gleichgültig sind, man müsse den Bürgern auch noch die Selbstvorsorge für die Rente aufdrücken, weil wir von den Bürgern erarbeiteten Steuern die EU Welt retten müssen. Wovon die Herrschar der Politikerriege, die vom Leben des einfachen Steuerzahler keine Ahnung zu haben scheint, sollen die Bürger bei den Löhnen

    auch noch Geld abzwacken zur Rentenvorsorge. Hat man vorgesorgt Pensionskasse, wo der Staat etwas zusteuert, und lässt sich das angesparte Geld auszahlen, kassiert der Staat fleißig ab, holt sich das zugesteuerte Geld mit Zinsen zurück.

    Diese Regierung produziert mit ihrer Politik Sozialfälle ohne Ende. Irgendwann geht es uns wie den Menschen in Griechenland oder Spanien, wer hilft dann uns. Während der fleissige Bürger kaum Rente hat obwohl er eingezahlt hat, haben Beamte Renten von denen wir träumen obwohl sie nie in den Rententopf eingezahlt haben.

    Für alles ist Geld vorhanden, da werden immer mehr Milliarden von Schulden dem deutschen Steuerzahler aufgebrummt für andere Länder während die Rentner in Deutschland am Verhungern sind.

    Armes Deutschland, reich an enormen Schulden, die der Staat macht und der Bürger zu zahlen hat, immer mehr und mehr. Politiker bekommen mehr Gehalt und mehr Diäten und wir, die wir Deutschland dahin gebracht haben wo es heute ist, haben nicht mehr genug zum Leben.

  • M
    magy

    auch 8.50 € reicht nicht. Wo leben Sie ilmatelkely zu denken das so ein Stundenlohn reichen könnte ? Fast die Hälfte davon geht an Abgaben weg.

    Im bayerischen Raum kosten heute 40 qm bis 550 €, dann kommen Strom, Tel. Monatskarte (Auto halten nicht mehr möglich allein wegen der Spritpreise)Versicherung. Lebensmittel werden ständig teuerer. Bei 8.50 € brutto kommt man unter 1.000 € Netto. Na dann zahlen Sie das alles mal und sorgen brav für die Rente vor.

  • I
    ilmtalkelly

    @ HamburgerX

    Griechenland ist für zu viele in Deutschland schon Realität.

    Lass mich raten, die erwähnten Mindestlöhne sind nicht im Bereich deines hamburger Leuchtturmgehaltes, bzw. Unternehmergewinnes.

  • H
    Hans

    Wenn man bedenkt, dass eine Familie bei €8,50 zum Jobcenter, sprich zu ARGE bzw. Hartz-Behörde müsste, es sei denn, die Frau verdient gut dazu, dann kann man sich vor allem nur über die Hans-Böckler-Stiftung wundern.

     

    Tatsächlich kann ein Normalarbeiter bei einer Zeitarbeitsfirma mit einem DGB-Vertrag verarmen und zum Sozialfall werden, wenn er eine Familie hat.

    Und dass die CDU nicht verstanden hat, welchen Flächenbrand auf Dauer diese Niedriglöhne, Aufstockungen und 1-EURO-Jobs auslösen, ist kaum verwunderlich.

     

    Die Union ist insofern zur echten Agenda-Partei geworden: Armut ist gut und muss staatlich gefördert werden. Arme Arbeitnehmer und Familien sind gut und wirken sich produktiv aus. Das sind die beiden Grundannahmen, die bei der CDU offenbar noch gefragt sind.

  • H
    HamburgerX

    Ländern mit Mindestlohn geht es beim Arbeitsmarkt schlechter. Ein gesetzlicher Mindestlohn wird nämlich zum Spielball von Parteien, die mehr versprechen, als sie finanzieren können bzw. die Wirtschaftskraft eines Landes hergibt. Wer bietet mehr, 8, 10, 15 Euro? Sozialpopulismus ala Griechenland ist allerdings das Letzte, was Deutschland braucht.

  • A
    aurorua

    Um eine Altersrente etwas über der Grundsicherung (Sozialhilfe) zu erarbeiten müßte der Stundenlohn z.Zt. bei etwa 12,50 Euro liegen. Da jeder Stundenlohn darunter, bei den horrenden und kontinuierlich steigenden Kosten für Miete, Heizung, Strom, Gas und Wasser, es nicht ermöglicht private Altersvorsorge zu finanzieren, sind diese feigen und arbeitnehmerfeindlichen Vorschläge einer "christlichen" Partei einfach nur lächerliche Heuchelei. Als das reichste Land Europas wäre der Mindestlohn von Luxemburg, immerhin über zehn Euro, das allermindeste.

  • RS
    Reinhold Schramm

    Alles unter brutto 12 Euro.-Std. reicht nicht!

     

    Auch nach mehr als 40-Vollzeit-Arbeitsjahren, bei einem "durchschnittlichen" Stundenlohn von brutto 9,57 Euro, liegt die Armutsrente unterhalb der geringen gesetzlichen Grundsicherung (analog Sozialhilfe bzw. dem offenen Hartz-IV-Vollzug) von max. 676 Euro.

     

    Überfällig ist ein flächendeckender auskömmlicher Arbeitslohn ab 12 Euro-Std aufwärts, und für Geringverdiener, zusätzlich zur gesetzlichen Grundsicherung, der bereits erworbene (geringe) Rentenanspruch.

     

    Nur diese notwendigen Maßnahmen sichern ein menschenwürdiges und auskömmliches Arbeitsleben und schützen vor Altersarmut.

     

    Alle anderen Lohnmaßnahmen, einschließlich der geringen DGB-Forderung von (nur) 8,50 Euro-Std., unterhalb von brutto 12-Euro.-Std., dienen keiner Sicherung vor Lohnarmut und Altersarmut. Im Gegenteil, sie verstärken und verfestigen, vor allem bei Frauen, die lebenslange menschenunwürdige prekäre und ausweglose Lebenssituation.

     

    Diese Wahrheit wird von ausnahmslos allen "Sozialpartnern" in der "Sozialen Marktwirtschaft" - der Lobby-Parteien, der Banken und Spekulatnen - immer noch erfolgreich unterschlagen!

     

    Trotz alledem!

  • I
    ilmtalkelly

    "Alles unter 8,50 Euro reicht nicht."

     

    Da kommen netto ca. 1000 €/ mon. raus. Das ist kein Mindestlohn, das ist herabwürdigend in Bezug auf die Lebenshaltungskosten in Deutschland. Menschenwürdig fängt jenseits der 10 €/h an.

    Gewerkschaftskreise sollten sich mal von ihrer CO- Management Rolle lösen, dann blicken sie wieder klar.