CDU-Wahlkampf in Brandenburg: Dem Volk aufs Maul schauen
Die CDU in Brandenburg hat ihre Wahlplakate vorgestellt. Die Kampagne steht im Schatten der Alkoholfahrt ihres Spitzenkandidaten Jan Redmann.
Es war ein eigenwilliger Auftritt, mit dem Redmann und Brandenburgs CDU-Generalsekretär Gordon Hoffmann am Donnerstag im Garten der CDU-Landesgeschäftsstelle in Potsdam ihre Plakatkampagne vorstellten. Im Vordergrund stand die Botschaft, die Probleme der Menschen im Land zu verstehen, dem Volk also aufs Maul zu schauen.
„Die Menschen im ländlichen Raum haben andere Probleme als in den Städten oder Kleinstädten“, betont Redmann und präsentiert sich und seine Partei als Zuhörer und Kümmerer. Auch die Claims auf den Plakaten versprechen konkrete Politik und verzichten auf billige Polemik: „Ein Arztbesuch darf keine Fernreise sein“, steht auf einem, auf einem anderen: „Früher lesen und schreiben rechnet sich“. Oder: „Ärmel hochkrempeln: Wirtschaft ankurbeln“.
Es sind Slogans, die auch auf den Großplakaten der Brandenburger SPD stehen könnten. In ihrer spröden Sachlichkeit stehen sie in einem gewissen Kontrast zu dem, was sich die CDU in der Mark vorgenommen hat: vom Frust der Menschen auf die Bundesregierung zu profitieren.
Gegenmodell zur Ampel
Die CDU, so verspricht es der Generalsekretär, soll ein „Gegenmodell zur Ampel im Bund“ sein. Und die Politik der CDU das ländliche Gegenstück zu urbaner Überheblichkeit. „Vor allem im ländlichen Raum spüren die Menschen, dass sie mit einer Politik konfrontiert sind, die in der Großstadt gemacht ist“, behauptet Redmann und nennt als Beispiel das 49-Euro-Ticket und das Heizungsgesetz.
Redmann, der am vergangenen Freitagmorgen von der Polizei bei einer Kontrolle mit 1,3 Promille auf einem Elektroroller erwischt worden war, war die Verunsicherung bei seinem Aufritt sichtlich anzumerken. Am Vortag der Pressekonferenz hatte die Märkische Allgemeine Zeitung berichtet, dass die Aktion der Polizei keineswegs eine reine Routinekontrolle gewesen sei, wie Redmann behauptet hatte. Vielmehr sei der CDU-Mann „aufgrund seiner Fahrweise von den eingesetzten Beamten“ kontrolliert worden, zitiert die Zeitung einen internen vertraulichen Polizeivermerk.
Auch sei bei Redmann nicht nur ein Atemalkoholtest vorgenommen worden, wie er gesagt hatte. Ihm wurde auf dem Revier auch Blut abgenommen. Redmann selbst erklärt dazu, dass ihm bei der Kontrolle nicht gesagt worden sei, weshalb sie stattgefunden habe. Sobald der Blutalkoholwert feststehe, werde er ihn öffentlich machen.
Konnte Redmann vergangene Woche noch damit punkten, selbst an die Öffentlichkeit gegangen zu sein, steht nun der Vorwurf im Raum, die Unwahrheit gesagt zu haben. Taucht sein Konterfei vielleicht auch deshalb nicht auf den Wahlplakaten auf?
Vor der Landtagswahl am 22. September ist in Brandenburg noch völlig offen, wer das Land in den kommenden 5 Jahren regieren wird. Laut der jüngsten Umfrage von Insa liegt die SPD mit 19 Prozent vor der CDU mit 18 Prozent. Beide Parteien wollen den Ministerpräsidenten stellen. Für die SPD tritt Amtsinhaber Dietmar Woidke an, für die CDU Jan Redmann.
Vorn in der Umfrage liegt allerdings die AfD mit 24 Prozent. Das BSW kommt auf 17 Prozent, die Grünen kommen auf 7, die Linke wird auf 5 Prozent taxiert. Zuletzt hatte Woidke auch Koalitionsgespräche mit dem BSW nicht ausgeschlossen. (wera)
Nein, sagt Generalsekretär Hoffmann. Die Kampagne habe einen längeren Vorlauf gehabt. „In der zweiten und dritten Welle wird auch der Spitzenkandidat mit drauf sein.“ Ob das der CDU allerdings nutzt? Eine Alkoholfahrt mögen die eher Robusteren unter den Wählern vielleicht noch durchgehen lassen. Aber ein E-Scooter? Schließlich schaut auch das Volk der Politik aufs Maul.
„Mir geht es auch um die letzte Meile“, verteidigt Redmann die Wahl des Verkehrsmittels. „Aber natürlich setzen wir in Brandenburg auch auf einen Verkehrsmix, zu dem auch das Auto gehört.“
Es sind keine großen Sprüche, die Redmann an diesem Sommertag klopft. Nur als es um die bisherigen Koalitionspartner der Kenia-Koalition aus SPD, CDU und Grünen geht, wird er deutlicher. „Bei den Themen, die der Union wichtig sind, kommen wir bei den Grünen an unsere Grenzen“, sagt er. „Ich wünsche mir deshalb eine Landesregierung ohne die Grünen.“
CDU zielt auf Grüne
Das passt zu der am Mittwoch auch deutlich gewordenen Wahlkampfstrategie, nicht nur die Botschaft der AfD-Wähler zu verstehen, sondern auch die enttäuschten Wählerinnen und Wähler von SPD und Grünen anzusprechen. Auch da spielt die Bundespolitik eine Rolle. Den Hauptslogan der Landes-CDU „Dein Land kann’s besser“ erklärte Redmann so, dass damit sowohl Brandenburg als auch Deutschland gemeint sei.
Im Grunde versuchen die Christdemokraten die Strategie zu kopieren, mit der es der SPD von Ministerpräsident Dietmar Woidke 2019 gelang, auf den letzten Metern an der AfD vorbeiziehen. Mit dem Unterschied natürlich, dass sich diesmal alle im „anständigen Lager“ für die CDU entscheiden sollen. „Nur die CDU“, so E-Scooter-Fahrer Jan Redmann, „kann verhindern, dass die AfD gewinnt.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Kompromiss oder Konfrontation?
Flexible Mehrheiten werden nötiger, das ist vielleicht gut
Eine Chauffeurin erzählt
„Du überholst mich nicht“
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Der Check
Verschärft Migration den Mangel an Fachkräften?
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“