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CDU-Spitze in KlausurMit einer Holzbank gegen die AfD

Das CDU-Präsidium berät in einer Klausur über die Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg. Eine neue Strategie hat sie nicht zu bieten.

Will im Wahlkampf mit einer Holzbank „von Kirchturm zu Kirchturm“ ziehen: Jan Redmann, Landesvorsitzender der CDU Brandenburg Foto: Christoph Soeder/dpa

BERLIN taz | Am Sonntag, als der extrem rechte Rassemblement National (RN) in Frankreich es schaffte, als stärkste Kraft aus der ersten Runde der Parlamentswahlen hervorzugehen, saß das Präsidium der CDU zu einer zweitägigen Klausur in einem Hotel in Berlin zusammen. Am Montag stellte Generalsekretär Carsten Linnemann die Ergebnisse vor. Die Entwicklung der konservativen Partei in Frankreich mache ihm Sorgen, sagte Linnemann auf die Frage einer Journalistin. Er sei froh über die Entwicklung der CDU, die ganz anders als in Frankreich nach oben zeige.

Worüber Linnemann nicht sprach: Dass sich die Reste der französischen Republikaner über die Frage nach einer Zusammenarbeit mit dem RN gerade zerlegen. Die Volkspartei CDU ist zwar weit vom Zustand der französischen Republikaner entfernt. Aber die Ergebnisse bei den Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg im September und die anschließenden Regierungsbildungen könnten auch für sie zu einer Zerreißprobe werden.

Bei der Klausurtagung hatte die CDU-Spitze einen Forscher von dimap zu Gast und den Soziologen Steffen Mau von der Berliner Humboldt-Universität, derzeit einer der profiliertesten Erklärer Ostdeutschlands. Man habe in einer Tiefe über Ostdeutschland diskutiert, wie es sie im Präsidium noch nie gegeben habe, sagte der Brandenburger Landeschef Jan Redmann, der mit Linnemann zur Pressekonferenz gekommen war. Im Herbst würde er gern als Ministerpräsident in die Potsdamer Staatskanzlei einziehen.

Redmann beklagte den Vertrauensverlust in die Politik insgesamt – und führte diesen auf die Politik der Bundesregierung zurück, an der die CDU bekanntlich nicht beteiligt ist. Auch die Ausdünnung der ICE-Haltestellen und die Schließung von Krankenhäusern in Ostdeutschland führten genau in die falsche Richtung. Die CDU dagegen habe mit dem neuen Grundsatzprogramm alte Positionen korrigiert, das sei ein Schritt, verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen.

Dann forderte er wegen der zunehmenden Kinder- und Jugendkriminalität noch, die Strafmündigkeit von Kindern von 14 auf 12 Jahre abzusenken und über Heranwachsende in der Regel nicht mehr nach Jugend- sondern nach Erwachsenstrafrecht zu urteilen. Linnemann hatte zuvor schon die „ungebremste und ungesteuerte Migration“ scharf kritisiert. Innere Sicherheit und Migration, das sind die Themen, die die CDU setzen will. Sollte die Analyse im CDU-Präsidium mit Blick auf die drei Landtagswahlen weitere Früchte getragen haben, dann behielten Linnemann und Redmann diese für sich.

Von Kirchturm zu Kirchturm

Eine konkrete Idee aber hat der Landeschef noch mitgebracht: Er will im Wahlkampf in Brandenburg mit einer Holzbank „von Kirchturm zu Kirchturm“ ziehen, um mit den Leuten direkt ins Gespräch zu kommen. So hofft er, neues Vertrauen zu den Bran­den­bur­ge­r*in­nen aufzubauen. Und mit einer Erststimmenkampagne will seine Landes-CDU zudem versuchen, Wäh­le­r*in­nen von SPD, Grünen und FDP zu gewinnen. Deren Kan­di­da­ten*­in­nen hätten ja ohnehin keine Chance; es gehe also darum, ob CDU oder AfD die Direktmandate holen, so die Logik dahinter.

Über mögliche Regierungsbündnisse im September will die CDU dagegen lieber nicht reden. Koalitionen mit der Linken und der AfD, die bei der Europawahl in allen drei Ländern stärkste Kraft geworden ist, hat die CDU per Parteitagsbeschluss ausgeschlossen. Dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW), das laut Umfragen gut abschneiden dürfte, könnte also eine Schlüsselstellung zukommen. Parteichef Friedrich Merz hatte jüngst für Aufregung gesorgt, als er in einem Interview eine Zusammenarbeit mit dem BSW ausschloss, die ostdeutschen Landesverbände intervenierten prompt.

Seitdem gilt die Sprachregelung: Im Bund wird es keine Zusammenarbeit geben, die Länder aber haben in dieser Frage „Beinfreiheit“. Klar aber ist auch allen: Eine Zusammenarbeit mit dem BSW könnte sowohl in den betroffenen Landesverbänden als auch im Bund zu massiven parteiinternen Auseinandersetzungen führen. Redmann brachte in der Sitzung laut Teil­neh­me­r*in­nen eine Mitgliederbefragung vor einer möglichen Koalitionsbildung ins Spiel. Nur was macht man, wenn die Mitglieder die einzig mögliche Regierungsbildung zerschießen?

Das CDU-Präsidium beschäftigte sich außerdem mit den Ergebnissen der Europawahl, die die Union zwar gewonnen hat, bei der sie aber – mit Blick auf die Anti-Ampel-Stimmung – am unteren Ende dessen geblieben ist, was man sich erhofft hatte. So hatte es selbst Merz nach der Wahl formuliert. Auch die Bundestagswahl, die laut Linnemann mit einer Wahrscheinlichkeit von einem Drittel bereits in diesem Jahr stattfinden könnte („Wir hören auf dem Flur immer mehr das Wort Vertrauensfrage“), stand auf der Tagesordnung, unterschiedliche Szenarien wurden durchgespielt.

Und die K-Frage?

Man könne innerhalb von zehn Wochen einen Bundestagswahlkampf vorbereiten, sagte Linnemann. Mit dem neuen Grundsatzprogramm, das die Partei jüngst verabschiedet hat, gebe es eine gute Grundlage für ein Regierungsprogramm. Der parlamentarische Geschäftsführer Torsten Frei und er würden dessen Erstellung koordinieren. Präsidium und die Partei-Vereinigungen sollen dabei eine wichtige Rolle spielen. Namentlich nannte Linnemann allerdings nur die Mittelstandsvereinigung und dessen Vorsitzende Gitta Connemann. In Sachen Wirtschaft sei diese seine erste Ansprechpartnerin.

Über eines soll laut Teil­neh­me­r*in­nen nicht gesprochen worden sein: die Frage der Kanzlerkandidatur. Aber natürlich schwingt diese bei allem mit, was die CDU derzeit diskutiert. Zumal sich sowohl CSU-Chef Markus Söder als auch NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst sichtlich im Spiel halten. Aber auch darüber will die CDU offiziell erst nach den drei Landtagswahlen entscheiden.

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