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■ CDU-Ranküne um AkademiePolitikunfähig

Die gestrige Nicht-Entscheidung zur Akademie der Künste ließe sich mit Fug und Recht als Groteske abtun. Ihre Hintergründe sind zudem ein Paradebeispiel dessen, was mit der Titulierung Politikverdrossenheit meist eher verschleiert denn erhellt wird. Deshalb verdient der Konflikt eine genauere Betrachtung.

Sein Anlaß war die mißlungene Vergangenheitsbewältigung der ehemaligen Ost-Akademie, der sich die Westberliner Akademie mit der En-bloc-Übernahme nur ungenügend stellte. Doch selbst wenn dieses Experiment als gescheitert anzusehen wär' – was es noch nicht ist –, mit dem Schaden, sprich dem schlechten Ruf, hätte allemal die Akademie selbst zu leben. Insofern handelte der Senat durchaus konsequent, als er, ohne Einmischung, den Staatsvertrag verabschiedete. Als die CDU danach den parteipolitischen Vorteil einer partiellen Liaison mit den ausgegrenzten Künstlern entdeckte, setzte sie die Dynamik in Gang, die zur aktuellen Paralyse führte.

Das Ergebnis der ungewohnten Koalition von Konservativen und Dissidenten war der Versuch einer staatlichen Intervention, der paradoxerweise ausgerechnet an die Praktiken der ehemaligen DDR erinnerte. Selbst darüber hätte das Abgeordnetenhaus entscheiden können. Daß es nicht dazu kam, liegt daran, daß der Konflikt zu einer Konfrontation innerhalb der CDU führte, aus der keine der beteiligten Seiten mehr ohne Machtverlust hervorgehen kann. Deshalb muß die Entscheidung verschoben werden. Die SPD eröffnet nun, unter Aufgabe der eigenen Position, der CDU den Ausweg aus der Misere, weil sie die Koalition um jeden Preis regierungsfähig erhalten will.

Diepgen ist bereits jetzt angeschlagen, er muß nun die Zeit nutzen, um seine Parteifeinde zu bearbeiten. Sein Ansehen wird im September nicht mehr nur an der Zustimmung zur Akademie gemessen werden, sondern an der Zahl derjenigen, die sich ihm auch dann widersetzen. Der Öffentlichkeit wird derweil vorgegaukelt, daß nicht Macht-, sondern Sachfragen den Ausschlag bei der Entscheidung geben. Die Akademiemitglieder werden deshalb schon bald erfahren, welche Rolle ihnen in diesem Sommertheater zugedacht ist. Dieter Rulff

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