CDU-Politiker zur Gleichstellung: „Der Kurs der Partei war nicht richtig“
Problemlos wird die Gleichstellung von Homopaaren nicht durch die Unionsfraktion gehen, sagt Initiator Stefan Kaufmann. Doch viele Kollegen seien inzwischen unverkrampfter.
taz: Herr Kaufmann, wie lebt es sich eigentlich in der Unionsfraktion als einziger geouteter schwuler Abgeordneter?
Stefan Kaufmann: Ganz gut. Man geht völlig normal mit mir um. Aber natürlich gibt es hin und wieder, vor allem von älteren Abgeordneten, die klassischen Sprüche. Da bin ich aber abgehärtet.
Sie haben einen Vorstoß zur steuerlichen Gleichstellung von Homopaaren initiiert. Wie schätzen Sie die Erfolgsaussichten innerhalb der Unionsfraktion ein?
Problemlos wird das sicher nicht durchgehen in der Fraktion. Gerade in der CSU gibt es noch immer Vorbehalte gegen eine Gleichstellung von homosexuellen Paaren. Aber andererseits hat sich in der Union in den vergangenen Monaten einiges getan. Viele Kollegen sehen das Thema heute viel unverkrampfter als früher.
Denken Sie wirklich, dass sie dem rechten Flügel der Union eines ihrer letzten Tabus so schnell abringen können?
Splitting: Bisher werden nur heterosexuelle Ehepaare durch das Ehegattensplitting steuerlich begünstigt. Am stärksten profitieren sie, wenn nur einer ein Einkommen hat. Zwei Beispiele:
Gleichverdiener: Beide haben ein zu versteuerndes Jahreseinkommen von je 25.000 Euro. Als Unverheiratete zahlen sie laut Abgabenrechner des Finanzministeriums je 4.322 Euro Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag. Als Ehepaar kommen sie zusammen auf 50.000 Euro und müssen 8.664 Euro an den Staat abführen. Die Heirat ändert also nichts.
Nur ein Verdiener: Ein Partner verdient 50.000 Euro, der andere nichts. Als Lediger muss der Verdiener 13.553 Euro abführen. Als Ehepaar müssen beide zusammen nur 8.664 Euro zahlen. Sie sparen 4.889 Euro pro Jahr. (ga)
Ich bin zuversichtlich und gerne bereit, in die Auseinandersetzung zu gehen. Zumal das eigentlich dicke Brett für sie doch das Adoptionsrecht für Homosexuelle ist...
...weshalb Sie das auch nicht in ihre Forderungen aufgenommen haben?
Sicherlich. Selbst viele Kollegen, die der steuerlichen Gleichstellung wohlwollend gegenüber stehen, müssten da noch überzeugt werden.
42, ist CDU-Bundestagsabgeordneter aus Stuttgart. Er ist der einzige geoutete schwule Parlamentarier der Unionsfraktion und ist Mitinitiator des Vorstoßes von 13 CDU-Abgeordneten zur steuerlichen Gleichstellung von homosexuellen Paaren.
Wie kam es zu dem jetzigen Vorschlag?
Am Rande der Abstimmung über die Anträge der Grünen zur steuerlichen Gleichstellung im Juni…
…bei der sie sich zwar enthalten haben, der Großteil der Union aber noch dagegen gestimmt hat?
Ja, so läuft es nun einmal im parlamentarischen Geschäft. Ich hatte große Sympathien mit dem Antrag. Den Kurs meiner Partei fand ich nicht richtig. Jedenfalls haben sich ein paar CDU-Kollegen da zusammengetan und entschieden, dass wir nach der Sommerpause einen eigenen Vorstoß unternehmen.
Warum jetzt? Sie argumentieren mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Familienzuschlag für Beamte. Derartige Gerichtsurteile gab es aber Dutzende in den vergangenen Jahren.
Es ist aber jetzt immer deutlicher geworden, dass das Bundesverfassungsgericht auch in Zukunft entsprechend für die Gleichstellung urteilen wird. Wir wollten in die Offensive gehen und uns den politischen Kurs nicht von Gerichten diktieren lassen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Rücktritte an der FDP-Spitze
Generalsekretär in offener Feldschlacht gefallen
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Iran als Bedrohung Israels
„Iran könnte ein Arsenal an Atomwaffen bauen“
Keith Kelloggs Wege aus dem Krieg
Immer für eine Überraschung gut