CDU-Niedersachsen gegen Muslim-Staatsvertrag: Rot-Grün ohne Islam-Angst
Niedersachsens Regierungskoalition und die FDP halten am Projekt des Muslim-Staatsvertrags fest. Auch gegen den Willen der CDU, die jetzt entdeckt hat, dass man mit dem türkischen Islamverband Ditib am besten nicht reden sollte
Man sei überzeugt, ein wichtiges Zeichen für Zusammenhalt und Integration gemeinsam mit den Menschen muslimischen Glaubens in Niedersachsen setzen zu müssen. Auch FDP-Chef Stefan Birkner halte „den jetzigen Stand der Verträge für geeignet, weiter auf den Abschluss hinzuarbeiten“. Verhandelt wird unter Federführung von Niedersachsens Kultusministerin Frauke Heiligenstadt (SPD) mit der Schura-Niedersachsen und dem Ditib-Landesverband.
Erklärtes Ziel der Landesregierung ist, das Abkommen nicht bloß mit der Einstimmenmehrheit durchs Parlament zu boxen, sondern ihm eine möglichst breite Basis zu verschaffen. Komplett infrage gestellt hatte es nun die CDU infolge der jüngsten Entwicklungen in der Türkei.
Nachdem im April die Neuwahl des Vorsitzenden der Schura die niedersächsische Politik verwirrt hatte, gilt jetzt Ditib als Problem: Der Dachverband koordiniert seit 1984 die türkisch-islamischen Moscheegemeinden in Deutschland. Mit dem könne man aber keinen Vertrag schließen, stellte der Fraktionsvorsitzende der Niedersachsen-CDU vor einer Woche fest. Da war ihm aufgefallen, dass Ditib von der türkischen Regierung „beeinflusst und gesteuert“ ist.
Das ist keine neue Einsicht: Ditib ist die Dependance der türkischen Religionsbehörde (Diyanet) in Deutschland. Bei ihrer Gründung in den frühen 1980er-Jahren war es zumal der CDU wichtig gewesen, dass der türkische Staat die Moscheen kontrollierte aus Angst vor Ayathollah Khomeini und einer schiitischen Infiltration.
Ganz abwegig sind die Vorbehalte nicht. Beeindruckt von der autoritären Reaktion Recep Tayyip Erdoğans auf den Putschversuch hatten auch Grünen-Promis vor einer allzu innigen Kooperation mit Ditib gewarnt. Und die rot-gelb-grüne Rheinland-Pfalz-Regierung hat ihre Gespräche mit dem Verein deshalb bereits auf Eis gelegt.
Aus Niedersachsen dagegen hatte es schon vor der gestrigen Beratung der Koalitionsfraktionen deutliche Signale für ein Festhalten an den Gesprächen und ihrem Ziel gegeben, etwa durch Anja Piel: „Die CDU ist kein verlässlicher und kluger Verhandlungspartner“, hatte die Vorsitzende der Landtagsgrünen die Union für deren Ausstiegsankündigung abgewatscht. Vor allem dass man auf deren Betreiben den Vertrag im Frühjahr neu aufgeschnürt und 14 chistdemokratische Änderungswünsche in einen neuen Vertragstext integriert hatte, erzürnte sie. Die CDU fahre einen „nicht nachvollziehbaren Zickzackkurs“, so Piel. Mit dem „brüskiert sie alle Beteiligten“.
Johanne Modder, SPD-Fraktion
Tatsächlich sind Landes- und Bundesebene bei Ditib nicht identisch. Die norddeutschen Ditib-Landesverbände hatten sich bereits während der Gespräche zum Hamburger Staatsvertrag neu verfasst – um die dafür vorausgesetzte Staatsferne herzustellen. Erfolgreich: So sieht auch die Satzung des bremisch-niedersächsischen Ditib-Verbandes nach Hamburger Vorbild für die Kontrolle des Religionsunterrichts „die Berufung einer Kommission“ vor, erläutert der Kölner Staatskirchenrechtler Stefan Muckel in einem Gutachten fürs Hannoversche Kultusministerium.
Dieser Kommission dürfe „ausdrücklich kein Amtsträger eines Staates angehören“, so der Jura-Prof weiter. Darüber hinaus habe der Verein durch Ergänzungsvorschriften auch einen mittelbaren Einfluss des Diyanet verhindert. Ein Beleg dafür, dass durch die Verträge, wie Piel gestern sagte, „die Unabhängigkeit der Verbände weiter gefestigt werden“ kann. Auch deshalb halte man „am verabredeten Fahrplan fest“.
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