CDU-Ministerpräsident David McAllister: „Ein paar Takte Dudelsackmusik“
Das Thema Wulff „ist bei den Menschen durch“, sagt David McAllister. Er verteidigt seine Flüchtlingspolitik – und seinen Wahlkampfsong.
taz: Herr McAllister, warum sind Sie so nett?
David McAllister: Das ist doch eine positive Eigenschaft. Wenn mir die nachgesagt wird, betrachte ich das als Kompliment.
Sie legen aber viel Wert darauf, dass dieses Bild transportiert wird.
Vielleicht wirkt man einfach so, wie man tatsächlich ist.
Und deshalb flachsen Sie mit der britischen Presse über Deutsche, die Ihren Namen nicht aussprechen können?
Britische Medien fragen regelmäßig, ob ich jemals Nachteile erlebt habe, weil ich keinen typischen deutschen Namen habe. Das habe ich nicht. Das Einzige, womit ich aufwarten kann, ist, dass man mit einem Nachnamen wie McAllister mit den unterschiedlichsten Aussprachen konfrontiert wird. Na und?
41, steht am 20. Januar bei der Landtagswahl in Niedersachsen erstmals als Ministerpräsident zur Wahl. 2010 hatte er das Amt geerbt, als sein Vorgänger Christian Wulff ins Bundespräsidialamt wechselte. McAllister ist seit seinem 17. Geburtstag CDU-Mitglied. Von 2003 bis 2010 leitete der studierte Jurist die CDU-Fraktion im Landtag, 2008 übernahm er von Wulff den Posten des CDU-Landeschefs.
Umfragen sehen die CDU mit gut 40 Prozent als stärkste Kraft in Niedersachsen. Rot-Grün dürfte aber die Regierungsmehrheit erzielen. McAllisters aktueller Koalitionspartner droht am Wiedereinzug in den Landtag zu scheitern.
McAllister ist der bundesweit einzige Ministerpräsident mit doppelter Staatsbürgerschaft: Er wurde 1971 in Berlin als Sohn eines schottischen Offiziers und einer Deutschen geboren. Heute lebt er mit Frau und zwei Töchtern in Bad Bederkesa, wo er einst Schützenkönig und Bürgermeister war.
Für den Wahlkampf sicherte sich die Niedersachsen-CDU eigens die Rechte an einem Tartan-Schottenkaro-Muster in Blau-Orange.
Das ist die einzige Benachteiligung, die Sie erlebt haben?
Natürlich könnte ich mich medial interessanter machen, indem ich eine Reihe von Geschichten aufzähle. Eine wirkliche Benachteiligung habe ich aufgrund meiner halbschottischen Herkunft nie erfahren. Aber ich habe den ein oder anderen hässlichen, zum Teil auch verletzenden Brief bekommen.
Ihre schottische Herkunft spielt in Ihrem Wahlkampf dafür, dass sie politisch bedeutungslos ist, aber eine große Rolle.
Sie spielt gar keine Rolle. Es gibt eine Unterstützerkampagne für mich mit dem Titel „I’m a Mac“. Das ist ein ironisches Wortspiel.
Und die CDU singt: „Unser Häuptling ist ein Schotte …“
Unser Wahlkampfsong hat eine Länge von rund dreieinhalb Minuten und einen ausführlichen Text. Eine einzige Textzeile bezieht sich auf meine schottische Abstammung. Das ist alles.
Gazale Salame: Die Kurdin wurde 2005 schwanger mit ihrer jüngsten Tochter in die Türkei abgeschoben. Ihren Mann und die beiden älteren Töchter, die bis heute in Hildesheim leben, hat sie nicht wiedergesehen. Jahrelang protestierten Opposition, Menschenrechtsorganisationen, Kirchen und CDUler. Dennoch verteidigte Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) die Abschiebung. Die schwarz-gelbe Landesregierung hat sich erst jetzt für Salames Rückkehr ausgesprochen.
Wulff-Urteil: McAllisters Landesregierung kassierte im August eine Rüge des Landesverfassungsgerichts. Begründung: Sie habe den Landtag "objektiv unvollständig" informiert. Auf SPD-Parlamentsanfrage hatte die Regierung eine Landesbeteiligung an der Organisation und Finanzierung der Lobbyistentreffen "Nord-Süd-Dialog" noch Anfang 2012 abgestritten - was durch Medienenthüllungen widerlegt wurde.
Astrid Grotelüschen: Im April 2010 von Christian Wulff ernannt, trat Agrarministerin Grotelüschen schon am 17. 12. 2010 zurück. Kritiker warfen der Mitinhaberin von Deutschlands zweitgrößter Putenbrüterei unter anderem vor, dass sie auch Geschäftsführerin mit Einzelprokura der fitkost Schlachterei Neubrandenburg war, die ihren ArbeiterInnen nur 3,50 Euro Stundenlohn zahlte.
Und der Dudelsack.
Von dreieinhalb Minuten Lied sind am Anfang und am Ende ein paar Takte Dudelsackmusik zu hören. Und ich glaube, in der Mitte. Das ist politische Werbung mit einem leichten Augenzwinkern und der Gabe, sich selbst auf die Schippe zu nehmen. Eine Eigenschaft, die in der deutschen Politik noch etwas unterentwickelt ist.
Dabei ist sie so hilfreich dabei, Unangenehmes auszublenden. Selbst die FAZ schreibt, Sie seien „zu vorsichtig, um aussagekräftig zu sein“.
Wer mich kennt, weiß, dass ich keiner politischen Debatte aus dem Weg gehe. Als Landesvorsitzender der CDU verantworte ich unser Wahlprogramm mit ganz klaren Aussagen für Niedersachsens Zukunft. Dafür, dass ich angeblich zu wenig Inhalte vertrete, arbeiten sich andere ganz schön an mir ab.
Unliebsames wie die Affäre um Ihren Vorgänger Christian Wulff drücken Sie trotzdem weg: Die haben Sie jüngst für beendet erklärt.
Das Thema ist für die Menschen durch.
Die Staatsanwaltschaft ist damit nicht durch.
Das ist richtig. Wenn Sie aber die Menschen im Land fragen, ob sie das Thema noch beschäftigt, werden die allermeisten Ihnen sagen, dass sie damit durch sind.
Das Urteil von Niedersachsens Landesverfassungsgericht besagt, dass Sie auf legitime Fragen der Opposition nach dem Verhältnis zwischen Landesregierung und Firmen nicht die gebotene Transparenz herstellen.
Die Landesregierung hat nach bestem Wissen und Gewissen mehr als 800 Medien- und parlamentarische Anfragen zu dem Themenkomplex beantwortet. Einige unserer Mitarbeiter haben wochenlang kaum etwas anderes gemacht. Die Landesregierung hat das Maximale geleistet, den Sachverhalt aufzuklären und für Transparenz zu sorgen.
Also irrt sich der Staatsgerichtshof?
Das Verfahren hat die Landesregierung zum großen Teil gewonnen. Der Staatsgerichtshof hat in einem Punkt festgestellt, dass die Landesregierung vor der Beantwortung einer Frage noch sorgfältiger bei den beteiligten Landesbehörden hätte nachfragen müssen, obwohl man bei der konkreten Frage der SPD-Fraktion kaum verstehen konnte, was die eigentlich wollten. Diese Entscheidung des Staatsgerichtshofs respektiere ich. Sie wird selbstverständlich in die künftige Arbeit der Landesregierung einfließen.
Hätte man nicht damals schon sorgfältiger nachforschen sollen, als sich die Enthüllungen täglich überschlugen?
Rückblickend, in der Ex-ante-Betrachtung, ist man noch schlauer.
Die Landesregierung scheint in vielen Punkten plötzlich schlauer zu sein: Im Fall der abgeschobenen Gazale Salame hat man sich nach acht Jahren entschieden, ihr ein Rückkehrrecht einzuräumen. Mittlerweile sind Sie für ein NPD-Verbot. Und nachdem Sie zuvor eine Agrarministerin hatten, die 3,50 Euro Stundenlohn in ihren eigenen Schlachthöfen gezahlt hat, beschwert sich nun deren Nachfolger über die Löhne in Fleischindustrie …
Ihre Darstellung ist verkürzt. Diese Materialsammlung von Bund und Ländern zur NPD zeigt: Der NPD geht es darum, unsere Verfassungsordnung in aggressiv-kämpferischer Weise zu beeinträchtigen. Damit besteht eine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür, dass das Bundesverfassungsgericht die Verfassungswidrigkeit feststellen wird. Niedersachsen hat daher dafür gestimmt, ein neues Verbotsverfahren einzuleiten.
Im Fall Gazale Salame waren acht Jahre Zeit, die Trennung der Familie rückgängig zu machen.
Der Fall beschäftigt die Landespolitik seit vielen Jahren. Alle Beteiligten bemühen sich jetzt um eine humanitäre Lösung.
Aber es gibt ja etliche Einzelfälle: Selbst die Härtefallkommission in Niedersachsen hat im Sommer aus Protest die Arbeit niedergelegt. Auslöser: Einer Roma-Mutter, seit der Abschiebung von Mann und vier Kindern die weiteren fünf Kindern alleinerziehend, wurde die Aufenthaltsgenehmigung nicht entfristet, weil sie nicht arbeiten kann.
Die Niedersächsische Landesregierung ist an Recht und Gesetz gebunden. In der öffentlichen Wahrnehmung kommen allerdings die Impulse zu kurz, die Niedersachsen in den vergangenen Jahren in der Flüchtlings- und Integrationspolitik mit Bundesratsinitiativen gesetzt hat. Beispielsweise der in das Aufenthaltsgesetz eingefügte Paragraf 25a, ein eigenes Aufenthaltsrecht für gut integrierte Jugendliche und Heranwachsende.
In der öffentlichen Wahrnehmung sind aber Fälle wie der des nepalesischen Flüchtlings Shambu Lama. Der hat sich nicht wegen der besonders humanitären niedersächsischen Innenpolitik vor den Zug gelegt.
Das ist ein trauriges Schicksal. Aber einen Zusammenhang mit der Politik der Landesregierung herzustellen, weise ich zurück: Wir sind bestrebt, im Interesse der Betroffenen ohne viel Aufhebens zu Lösungen zu kommen, selbst wenn rechtlich nichts mehr möglich ist. Je weniger darüber in der Öffentlichkeit gesprochen wird, desto besser ist es für die Betroffenen.
Ihre Kritiker sind ja nicht nur wir linken Spinner von der taz. Das sind gestandene Kirchenleute.
Sie können davon ausgehen, dass ich alle kritischen Stellungnahmen lese und auswerte, die der Kirchen besonders genau. Das tue ich auch als evangelischer Christ.
Sie distanzieren sich also von Ihrem umstrittenen Innenminister Uwe Schünemann?
Nein. Die Landesregierung macht eine einheitliche Politik. Wir vertreten sie als Kollegialorgan, indem wir nach Diskussionen zu einvernehmlichen Ergebnissen kommen.
Und dem die Fleischindustrie in Person von Astrid Grotelüschen angehört hat – und jetzt erklärt Ihr Agrarminister die Löhne im Schlachtbereich für eine Katastrophe. Wie sollen Ihnen die Leute diesen Schwenk abkaufen?
Es gibt Branchen in Deutschland, in denen Arbeit zu Entgelten entlohnt wird, die schlicht inakzeptabel sind. Wenn Werkverträge missbraucht werden, um tarifliche und soziale Standards zu umgehen, ist das nicht in Ordnung. Auch Arbeitnehmer aus anderen europäischen Ländern müssen in Deutschland fair behandelt werden. Löhne und Gehälter haben auch etwas mit der Würde von Arbeit zu tun.
Grotelüschen kandidiert jetzt bei der Bundestagswahl für Ihre CDU.
Astrid Grotelüschen ist in einer innerparteilichen Urwahl mit einer sehr großen Mehrheit nominiert worden. Sie wird vor Ort als sehr engagierte Kommunalpolitikerin im Gemeinderat und Kreistag Oldenburg geschätzt.
… ist aber nicht die Kandidatin des Landesvorsitzenden?
Alle unsere Bundestagskandidaten sind auch die Kandidaten des Landesvorsitzenden.
Wie glaubwürdig ist angesichts dessen Ihre Branchenkritik kurz vor der Wahl?
Die Debatte über die Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie hat in den letzten Monaten Fahrt aufgenommen. Die Forderung nach einer marktwirtschaftlichen Lohnuntergrenze ist seit dem Bundesparteitag in Leipzig 2011 Beschlusslage der CDU Deutschland. Das ist gut so, und ich unterstütze das voll und ganz.
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